amilienmitglied
Unter dem Einfluß von mittlerweile mehreren Litern einer Spezialität des Hauses
namens «Battistas Rache» begann Hector um seine Ex-Frau Debbi zu klagen, die
bei den Scheidungsverhandlungen auf Anraten eines drogensüchtigen, langhaarigen
Winkeladvokaten den Fernseher, ein auf häusliche Gemütlichkeit
getrimmtes Standgerät mit 48-Zentimeter-Bild röhre, als Mitbeklagten benannt
hatte, mit der Begründung, die Glotze sei ein Mitglied der Familie gewesen:
Sie habe ihren festen Platz im Haushalt gehabt, sei stets mit dem erforderlichen,
vom Haushaltsgeld bezahlten Strom gefüttert worden und habe nicht nur als Ansprech-
und sogar Gesprächspartner der anderen Familienmitglieder gedient, sondern sei
auch ganz eindeutig imstande gewesen, ihr, Debbi, Hectors Liebe ebenso streitig
zu machen wie irgendeines der billigen Flittchen, die er im Dienst kennenlernte.
Allerdings nur so fange, bis sie den Apparat schließlich mitten in einer Wiederholung
von «Green Acres», auf die Hector sich schon lange gefreut hatte, mit einem
tiefgekühlten Schmorbraten zertrümmerte - wodurch sich die Erfolgsaussichten
ihrer Klage möglicherweise stark verschlechterten - und Hector, getrieben von
heftigen Emotionen, beschloß, sie wegen Mordes zu verhaften, da sie ja bereits
zugegeben hatte, daß der Fernseher ein menschliches Wesen war. In der Verfilmung
seines Lebens - mit Marie Osmond als Debbi und niemand anderem als Ricardo Montalban
als Hector - würde sich nun eines jener epischen Gerichtsdramen entfalten, in
denen große philosophische Fragen erörtert werden. Ist ein Fernseher menschlich?
Halb menschlich? Tja, hm, und wie menschlich ist das dann, und so weiter. Werden
Fernsehgeräte durch Sendesignale zum Leben erweckt wie die Lehmkörper von Männern
und Frauen durch den Geist der göttlichen Liebe? Eine Unmenge von Gutachtern
und Experten würde auftreten - Professoren, Rabbis, Wissenschaftler, Eddie Albert
in einer für einen Emmie nominierten Nebenrolle als Papst... Alles bloß Tagträume,
wie es hätte sein können - in der «Wirklichkeit» außerhalb des Fernsehens wurden
beide Handlungen als nicht ernst zu nehmend aus dem Verfahren genommen, und
sie bekamen eine simple einvernehmliche Scheidung, unter der Bedingung, daß
Hector sich sofort einer Fernseh-Entziehungskur unterzog. -
Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015
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