amilienforschung   Krüll: Katia Mann war keine besonders mütterliche Person, und dann war da eben auch der Vater, der eigentlich Männerkörper liebte. Man muß sich schon fragen: Wie war das bei ihnen im Bett?

Spiegel: Kinder haben die beiden ja mannigfach gezeugt.

Krüll: Gewiss, aber es geht um die Frage: Wie empfindet eine Frau einen Mann, der eigentlich einen anderen Körper sucht und begehrt. Natürlich waren sie durch die Kinder miteinander verbunden. Aber sie waren beide doch sehr vereinsamte Seelen. - Marianne Krüll, Familienforscherin, in: Der Spiegel 51 / 2001

Familienforschung (2)  «Was sind Juden?» fragte sie.

«Andersdenkende Christen», antwortete Marina.

«Warum ist Greg ein Jude?» fragte Lucette.

«Warum - warum!» sagte Marina. «Weil seine Eltern Juden sind.»

«Und seine Großeltern? Seine arrière Großeltern?»

«Das kann ich wirklich nicht wissen, mein Liebes. Waren deine Vorfahren Juden, Greg?»

«Nun, ich bin nicht sicher», sagte Greg. «Hebräer, ja -aber keine Juden in Anführungsstrichen - ich meine, keine komischen Käuze oder christlichen Kaufleute. Sie kamen vor fünf Jahrhunderten aus der Tatarei nach England. Aber der Großvater meiner Mutter war ein französischer Marquis, der, das weiß ich, dem römischen Glauben angehörte und verrückt war nach Banken, Börsen und Brillanten, so daß ich mir vorstellen kann, daß die Eeute ihn vielleicht un juif nannten.»

«Es ist jedenfalls keine sehr alte Religion, wie so manche andere, nicht wahr?» sagte Marina (an Van gewandt und undeutlich darauf aus, das Gespräch auf Indien zu lenken, wo sie, lange bevor Moses oder irgend jemand sonst in den Lotus-Sümpfen geboren wurde, Tänzerin gewesen war).

«Wen kümmert das schon -» sagte Van. «Und Belle» (Lucettes Name für ihre Erzieherin), «ist sie auch ein Andenken-Christ?»

«Wen kümmert's», rief Van, «wen kümmern all diese abgestandenen Mythen, was macht das schon - Jupiter oder Jehovah, Spitze oder Kuppel, Moscheen in Moskau oder Bonzen und Kleriker und Reliquien und Wüsten mit ausgebleichten Kamelgerippen? Sie sind bloß der Staub und der Wahn des kollektiven Bewußtseins.»

«Wie fing diese idiotische Unterhaltung überhaupt an?» wünschte Ada zu erfahren, indem sie ihren Kopf dem teilgeschmückten Dackel oder taksik zuneigte.

«Mea culpa», erklärte Mlle Larivière mit verletzter Würde. «Alles, was ich beim Picknick sagte, war, daß Greg sich vielleicht aus Schinkenbrot nichts macht, weil Juden und Tataren kein Schweinefleisch essen.»

«Die Römer», sagte Greg, «die römischen Kolonisatoren, die in alten Zeiten Christenjuden und Barabbiten und andere unglückliche Menschen kreuzigten, rührten auch kein Schweinefleisch an, aber ich tu's, und ebenso taten's meine Großeltern.»

Ein Verb, das Greg gebraucht hatte, verwirrte Lucette. Um es ihr zu illustrieren, stellte Van die Knöchel übereinander, breitete beide Arme weit aus und rollte die Augen nach oben.

«Als ich noch ein kleines Mädchen war», sagte Marina mürrisch, «wurde die Geschichte Mesopotamiens praktisch schon im Kindergarten gelehrt.»

«Nicht alle kleinen Mädchen können lernen, was man sie lehrt», bemerkte Ada.

«Sind wir Mesopotamier?» fragte Lucette.

«Wir sind Hippopotamier», sagte Van. «Komm», fügte er hinzu, «wir haben heute noch gar nicht gepflügt.»

Vor ein oder zwei Tagen hatte Lucette darum gebeten, daß man ihr das Auf-den-Händen-Gehen beibrachte. Van ergriff sie an den Fußgelenken, während sie sich langsam auf ihren kleinen roten Handflächen vorwärtsbewegte, manchmal mit einem Grunzen auf ihr Gesicht fiel oder anhielt, um an einem Gänseblümchen zu knabbern. Dack protestierte mit grellem Gebell.  - (ada)

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