amilie, heilige  In ihren Memoiren erzählte meine Urgroßmutter, wie Weihnachten 1721, während der Régence, die heilige Familie nach Paris kam und dort einen ganzen Tag blieb. Der ganze Stall von Bethlehem war, mit der Krippe und dem Topf, in dem Joseph gerade ein Gericht Bierkäse für die heilige Jungfrau wärmte, auf rätselhafte Weise in den Garten eines kleinen Klosters versetzt worden, das dem Heiligen Geist geweiht war. Sogar der Ochse und der Esel waren mitgebracht worden und das Stroh auf dem Erdboden. Als nun die Nonnen dies Wunder bei Hofe in Versailles meldeten, wurde ihnen Stillschweigen auferlegt. Man fürchtete, das Volk könne darin ein Zeichen von des Himmels Zorn sehen über den liederlichen Lebenswandel der Herrschenden. Aber der Regent selber erschien in voller Gala, mit allen seinen Juwelen angetan, zusammen mit seiner Tochter, der Herzogin von Berri, dem Kardinal Dubois und einigen wenigen auserwählten Damen und Herren des Hofstaats, um der Mutter Gottes und ihrem Ehemann seine Huldigung darzubringen. Meine Urgroßmutter stand beim Hofe in so hohem Ansehen, daß sie als einzige Ausländerin die Aufforderung erhielt, mit dabei zu sein. Sie hat bis an das Ende ihrer Tage die pelzverbrämte Brokatrobe mit langer Schleppe aufgehoben, die sie bei dieser Gelegenheit trug.

Der Regent war höchst gerührt und aufgeregt gewesen bei der Nachricht. Beim Anblick der Heiligen Jungfrau kam er in eine seltsame Ekstase, er taumelte und stieß kleine Schreie aus. Ihr wißt ja sicher, daß die Lieblichkeit der Gottesmutter ohnegleichen war, aber dennoch von einer solchen Art, daß sie keinerlei irdische Begierde erwecken konnte. Etwas Derartiges hatte der Herzog von Orleans nie zuvor erlebt, und er wurde ganz irre an sich selber. Er wurde abwechselnd blaß und rot, und zuletzt lud er sie zum Souper bei der Herzogin von Berri ein, wo er ihr eine so erlesene Tafel und so köstliche Weine verhieß, wie es sie noch nie gegeben hatte. Er werde auch den Grafen de Noircy dazu bewegen, daß er komme, und die Madame de Parabère. Die Herzogin von Berri war damals in anderen Umständen, und böse Zungen wollten wissen, daß sie es von ihrem Vater war, dem Regenten selber. Sie warf sich der Jungfrau Maria zu Füßen. ›Oh, liebste Heilige Jungfrau‹, sagte sie, ›vergib mir. So hättest du dich niemals betragen, das weiß ich wohl, aber du solltest wissen, was für ein tötender, was für ein verdammt langweiliger Hof das hier in Versailles ist.‹   - (blix)

Familie, heilige (2)

- Thomas Körner ("Tom")

 

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