Fall der Sprache   Stillman beschäftigte sich mit dem Begriff «fest verbunden», der nur aus seinem Gegenteil, dem Getrenntsein, seinen Sinn erhält, so daß in ihm zwei gegensätzliche Bedeutungen vereint sind. Darin verkörpert sich eine Anschauung von der Sprache, die Stillman im gesamten Werk Miltons entdeckte. Im Verlorenen Paradies, zum Beispiel, hat jedes Schlüsselwort zwei Bedeutungen - eine vor dem Sündenfall und eine danach. Stillman isolierte einige dieser Wörter- unheilvoll, schlangenförmig, köstlich - und zeigte, wie ihre Verwendung, auf die Zeit vor dem Sündenfall bezogen, frei von moralischen Nebenbedeutungen war, während ihr Gebrauch nach dem Sündenfall dunkel, mehrdeutig, von einem Wissen um das Böse beseelt war. Eine der Aufgaben Adams im Garten Eden war es, die Sprache zu erfinden, jedem Geschöpf und Ding seinen Namen zu geben. In diesem Zustande der Unschuld hatte seine Zunge unmittelbar ins Mark der Welt getroffen. Seine Wörter waren den Dingen, die er sah, nicht nur angehängt worden; sie hatten ihr Wesen enthüllt und sie buchstäblich zum Leben erweckt. Ein Ding und sein Name waren untereinander austauschbar. Nach dem Sündenfall galt das nicht mehr. Die Namen lösten sich von den Dingen; die Wörter verwandelten sich in eine Sammlung willkürlicher Zeichen. Die Sprache war von Gott getrennt worden. Die Geschichte vom Garten Eden zeichnet daher nicht nur den Fall des Menschen auf, sondern auch den Fall der Sprache.  - Paul Auster, Die Stadt aus Glas. in: P. A., Die New-York-Trilogie. Reinbek bei Hamburg 1991
 

Sprachverderb Fallen

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