älscher
Nachbildner, Nachahmer, Gleichleber, Richtigermacher. Leben ist nachahmen.
Der Steinbock hat sein Gehörn dem Felsen, der Hirsch sein Geweih den Ästen
der Waldbäume nachgemacht. Das Kind ahmt seine Eltern möglichst getreu,
der Mensch seinen Nachbarn nach. Alle Menschen
wollen dasselbe machen nämlich die Menschheit. Darum sind alle Nachmacher
richtige Menschen. Sogar der Unmensch betätigt sich nur nachmachenderweise,
aber er macht nicht das Leben, sondern seinen blutigen Vorgängern (s. Genie)
immer nur die Zerstörung des Lebens nach, indem
er zuallererst Nachmachsperren (s. Sperre) verhängt.
Mit Volksgenossen, von denen jeder Gesetze geben und nach Belieben zaubern
darf, ist nicht der geringste Staat zu machen (s. Hanswurst, Eulenspiegel).
Nun wird es aber für jeden Menschen geschwind langweilig, immerfort genau
dasselbe nachzumachen. Um diese Lustsperre zu
brechen, beginnt er sein Tun zu verändern, zu berichtigen. So entsteht
das Anderskönnen, das Richtigerkönnen, das Erfinden
(s. Erfinder), das Forschen (s. Forscher
), die Kunst (s. d.), das Dichten (s. Dichter).
Am schärfsten ist die staatliche Nachmachsperre für Geld
und Urkunden (s. d., Sperre, Wahrheitssperre).
Denn auf diesen zwei Säulen ruht der Staat. Brechen sie, stürzt er über
den Haufen. Das staatliche Münzrecht aber ist der Raub des Staates an der
Menschheit. Erst wenn jeder einzelne Mensch gänzlich ungesperrt denken,
sprechen und handeln kann, ist jeder, sind alle glücklich. Darum muß jeder,
wenn er nur will, sich auch sein eigenes Geld machen
dürfen. Jedes Gesetz ist ein Urkunden- und jeder Staatsbankzettel ein Wechselschwindel.
Erst wenn in Europa die freie Menschheit ihre Talerzettel (s. Dollar) so
genau nachmacht, daß die Yankees ihre eigenen nicht mehr davon unterscheiden
können, werden sie schleunigst Menschheit werden müssen. -
(se)
Fälscher (2) Im Jahre 1261 gab Nikolaus, Kapellan König Ottokars II. von Böhmen, die Fälschung einer Urkunde zugunsten des Wiener Schottenklosters zu. »Nicht voraussehend und nicht gewahr des Nachteils, der anderen daraus erwachsen könne«, habe er das Privileg auf Wunsch und Anweisung des Abts geschrieben. Als er freilich sein Machwerk öffentlich als Rechtsdokument verwendet sah, plagte ihn das Gewissen, und er offenbarte sich einigen Geistlichen unter der Bedingung, daß sie - um den Ruf des Fälschers, des Abts und des Konvents nicht zu schädigen - dieses Geheimnis allenfalls im Notfall einem Richter eröffnen dürften. Konsequenzen gab es nicht.
Erneut ist demnach das schlechte Gewissen eines Fälschers festzustellen,
und das mußte er trotz der von ihm behaupteten Ahnungslosigkeit auch haben,
denn der Text der Fälschung ist nur zu einem geringen Teil durch andere
Urkunden abgedeckt. Nicht umsonst war der Fälscher um seinen Ruf besorgt.
Zum anderen zeigt sich hier ein eigenartiger »esprit de corps«, der eine
vorzeitige Entdeckung des Fälschers verhinderte: Fälschen als Kavaliersdelikt,
oder gab es tatsächlich so etwas wie ein »gentlemen agreement« der Täter
gegen Aufdeckung? Glaubte man gar sein Tun gedeckt durch die Gewißheit,
daß sich auch der Gegner im Zweifel der Fälschung bediente? Schon Kern
sah »mit beiderseits bestem Gewissen zwei Heere geschickter Fälscherparteien
gegeneinander« kämpfen, und angesichts des oft zu beobachtenden Wechselspiels
von Fälschung und Gegenfälschung fällt es in der Tat schwer zu glauben,
die einander widerstreitenden Parteien hätten nicht a priori die Benutzung
von Fälschungen durch den Gegner einkalkuliert oder erwartet. Als Hinkmar
von Reims in der Auseinandersetzung mit seinem Neffen, dem gleichnamigen
Bischof von Laon, empört Textverfälschungen aus
dessen Feder anprangerte, antwortete der Neffe genüßlich, eben diese diskriminierte
Stelle habe er den Schriften des Onkels entnommen.
Er hatte recht. - Theo Kölzer, in: Karl Corino (Hg.): Gefälscht!
Betrug in Literatur, Kunst, Musik, Wissenschaft und Politik. Frankfurt
am Main 1990
Fälscher (3)