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polo
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Fabeltiere (2) Ich glaube nicht, daß die Kiefer
der Hyäne, eines Tieres, das sich schließlich und endlich
von Aas ernährt, das Thema eines Gesprächs zwischen zwei
anständigen Menschen abgeben können. Ich persönlich ziehe tausendmal die Fangzähne
des Löwen vor, die noch zuckendes
Fleisch zerreißen. Statt von den Kinnbacken dieser
Abfallbeseitigerin möchte ich lieber von den Schneidezähnen des Nilpferdes
sprechen, die so hart und kräftig sind, daß sie Funken
von sich geben, wenn man sie mit einem Feuerstahl reibt. Wie? Womit kommen Sie
mir jetzt? Lachen Sie nicht, denn ich verstehe Sie nicht. Sie sagen mir, daß
Sie eine Nachbarin haben, die wie ein Nilpferd aussieht? Vielleicht ist es ja
ein Nilpferd, das als Nachbarin verkleidet ist. Wenn es so ist, nehmen Sie sich
vor ihr in acht, denken Sie daran, daß es eine Zeit gab, in der man glaubte,
daß die Nilpferde Feuer spucken. Mir hingegen kommen diese grotesken Tiere nicht
so feurig vor, wenn Sie meine Meinung hören wollen. Sie lieben das Wasser viel
zu sehr, als daß man etwas anderes vermuten könnte. Das alles sind Fabeln, hübsche
Märchen. Man hat früher auch geglaubt, daß Leoparden gern Wein
trinken und daß sie sich tot stellen, um die Affen anzulocken
und sie dann aufzufressen. - Javier Tomeo, Der
Löwenjäger. Berlin 1988
Fabeltiere (3) Er erlangte auch Kenntnis von dem berühmtesten Pferde der iranischen Sage, dem Hengste Rakhsh, den der Dichter Firdosi also beschrieben hat: »mit einer Brust wie ein Löwe, kurzer Kruppe, fetter Brust und Beinen, aber schmalen Flanken, ein Elefant an Kraft, ein Kamel an Wuchs, aber an Mut ein Panther vom Berge Bistun«.
Vergleiche, Nahrung für das heimliche Glaubensfeuer, das aus der Vorstellungskraft die Geburt von Fabelwesen beweisen will. Wunder des Bastards. Wunder der Liebe. Wunder der Schwangerschaft, der Geburt, des Lebens. Hengst Rakhsh.
Aus quellreichen Wiesen und Wüsten abwechselnd wachsen Felsen auf wie gläsern und Marmor. Nicht weiß nur, rot durchzogen von wilden Adern. An den Quellflüssen entlang, durch die schwarze korundene Wüste, über Pässe zwängt sich ein Weg, den Menschen gebahnt. Des Nachts, wenn er leer, wandern Fabeltiere die weite Straße nach China, das unermeßlich im Osten. Halb Pferd, halb Tiger, der große Vogel Greif, das Geschlecht der Hippokampen, geflügelter Löwe mit bärtigem Menschenkopf, Weib, das bis zum Nabel einem Raubtierkörper entwachsen, Mann, Rind gleich, vom Bauche an, Pazuzu, vierbeschwingter Mensch mit Hörnern an der Stirn, Südoststurm, die Stimme der Schweigsamen. Voran ein Kopf, schwer wie die Hörner eines Widders, gewunden, spiralig nach der Form riesiger Ammoniten, gekörnt wie Erz, das in der Form verbrannte, umrahmt von brauner Wolle, dick und zottig, die wie Mähne eines Löwen fließt, bebändert, mit einem Flugelpaar wie einer Taube Schwingen; schmal fällt der Leib dann ab, wie einer Katze Leib; doch als Zeichen, daß der Kopf nicht nur ein Prunkstück, prangt zwischen den schmalen Schenkeln die Last der Hoden wie von einem Stier.
Nach Osten über die schneeigen Pässe in das Reich der vielgestaltigen Geister
dringen sie. Und die Menschen ahnten ihr Kommen, weil sie den Samen, der sie
erzeugt, geahnt, Wollust und Schmerz eines Beischlafs, die manchen unter ihnen
nicht erspart gebÜeben waren. Fleißige Seidenweber harten der Bastarde Gestalt
schon auf die Tücher gebannt in rot und gold auf schwarzem Grund. - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main
1966 (zuerst 1929)
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