Exerzitien  Die ehemaligen Schüler trafen einer nach dem anderen ein. Auf dem Parkplatz vor dem Hotel stiegen sie aus ihren großen Autos, gingen mit freudig überraschter Miene aufeinander zu, bedachten einander mit scherzhaften Schimpfworten, umarmten sich, schüttelten einander die Hände. Dabei hatten sie sich vielleicht erst am Abend zuvor unten in der Stadt getrennt, doch dieses jährliche Treffen, bei dem sie alle zusammenkamen, versetzte sie in eine Stimmung rüpelhafter, ausgelassener Kumpanei: Genau genommen war das die einzige Entschädigung für die stundenlangen Messen, Predigten und Gebete, die ihnen bevorstanden. Einige kamen in Begleitung ihrer Frauen, allerdings nur bis zur Schwelle dieser Stätte der Einkehr. Dort wurde der Ehemann samt Koffer abgesetzt und mit zwei schwesterlichen Küssen auf die Wange und ein paar guten Ratschlägen bezüglich warmer Pullover an kühlen Abenden oder vor den Mahlzeiten einzunehmender Medikamente verabschiedet. Und rasch fuhren sie wieder davon: Das freudige Aufheulen des Motors beim Wenden und der Schwung, mit dem sie aus dem Tor hinausfuhren, vermittelten den Eindruck, als würden sie nach Ablieferung des Gatten an einem dem Geist geweihten Ort nun heiter, leicht und frei einem der Materie gewidmeten Ort zueilen. Solche Situationen rufen Vorstellungen wach, die man mit Boccaccio in Verbindung zu bringen pflegt, die aber in diesem Falle eher an Maupassant erinnern: Die Ehefrau, die zum heimlichen Liebeslager eilt und in der leidenschaftlichen Umarmung, während der Partner, wie Mario Cavadossi, ihren Schleier lüftet, zwischen zwei Küssen hervorstößt: »Ich habe dieses Schwein gerade zu seinen geistigen Exerzitien gebracht.«   - (scia)
 
 

Übung Meditation

 

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