Eunuch, literarischer  Leo Phokas mochte keine Person in der Geschichte sein, die Lippas gerade schrieb, da er befürchtete, der Eunuch würde sein Leben dahingehend beeinflussen, daß es sich mit seiner Geschichte deckte.

»Auch wenn meine Lage nicht beneidenswert ist, so ziehe ich doch mein Leben demjenigen vor, das Ihr gerade schreibt.«

»Der wahre Leo Phokas ist der, welcher auf diesen Blättern steht. Ihr seid nur sein Abbild, sein Schatten

Leo sah seinen Wächter argwöhnisch an. Er war keineswegs ruhig bei dem Gedanken, der Obhut dieses extravaganten literarischen Eunuchen anvertraut zu sein. In seinem Inneren hatte er stets den Argwohn gehegt, daß die Kultur geradewegs zu Häresie und Hochmut führe, und nun schien ihm, als stünde die Bestätigung dieses Argwohns vor seinen Augen.

»Ihr habt bestimmt an der Hohen Schule der Magnaura studiert«, sagte Leo. »Die griechischen Schriftsteller des Altertums sind Meister im Erfinden unerschöpflicher Schrullen.«

»Ich habe an gar keiner Schule studiert«, sagte der Eunuch, »ich habe lediglich ein Stück Pergament geschluckt, das mir ein Engel gereicht hat, und deshalb kann ich mir den Hochmut leisten, aber nicht die Häresie.«  

Leo Phokas fühlte sich durch diese Worte verwirrt. Lippas hatte von Hochmut und Häresie gesprochen, und Leo Phokas hatte an beides gedacht, aber ohne es auszusprechen. »Seid Ihr denn auch Gedankenleser?«

»Ich bin ein bescheidener und gottesfürchtiger Mann, denn meine Kultur stammt vom Himmel der Engel und nicht von den alten Schriftstellern.«  - Luigi Malerba, Das Griechische Feuer. Berlin 1991

 

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