Es ist allgemein bekannt, daß nichts eine schüchterne Person so stark zum
Erröten bringt als irgendeine wenn auch noch so unbedeutende Bemerkung über
ihre persönliche Erscheinung. Man kann selbst das Kleid einer leicht zum Erröten
neigenden Frau nicht beachten, ohne dadurch zu veranlassen, daß sich ihr Gesicht
purpurn färbt. Bei manchen Personen genügt es, sie scharf anzustarren, um sie,
wie Coleridge bemerkt, erröten zu machen: »Erkläre dies, wer kann«. -
(
dar
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Erröten (2) Die Tatsache, daß Erröten in absoluter Einsamkeit erregt werden kann, scheint der hier vertretenen Ansicht entgegen zu sein, nämlich, daß die Gewohnheit ursprünglich aus dem Gedanken daran entstanden sei, was andre von uns denken. Mehrere Damen, welche leicht und stark erröten, sind sich in bezug auf die Einsamkeit einig, und einige von ihnen glauben, daß sie im Dunkeln errötet sind. Nach dem, was Mr. Forbes in bezug auf die Aymara angegeben hat, und nach meinen eignen Empfindungen habe ich keinen Zweifel, daß die letzte Angabe richtig ist. Shakespeare irrte sich daher, als er Julia, welche nicht einmal allein war, zu Romeo sagen ließ (Akt II, Szene 2):
Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
Sonst förbte Mädchenröte meine Wangen
Um das, was du vorhin mich sagen
hörtest.
Wenn aber ein Erröten im Alleinsein erregt wird, so bezieht sich die Ursache beinahe immer auf die Gedanken andrer über uns, auf Handlungen, die in ihrer Gegenwart ausgeführt oder von ihnen vermutet wurden; oder wir erröten ferner, wenn wir uns überlegen, was andre von uns gedacht haben würden, wenn sie von der Handlung gewußt hätten.
Nichtsdestoweniger glauben ein oder zwei meiner Berichterstatter, daß sie aus Scham über Handlungen errötet sind, die in keiner Weise sich auf andre beziehen. Ist dies der Fall, so müssen wir das Resultat der Gewalt eingewurzelter Gewohnheit und der Assoziation einem Seelenzusrande zuschreiben, welcher dem sehr analog ist, welcher gewöhnlich ein Erröten erregt. Auch dürfen wir uns darüber nicht überrascht fühlen, da selbst die Sympathie mit einer andern Person, welche einen offenbaren Bruch der Etikette begeht, wie wir eben gesehen haben, nach der Annahme mehrerer zuweilen ein Erröten verursacht.
Ich komme denn endlich zum Schlusse, daß das Erröten, mag es Folge der Schüchternheit
oder Scham wegen eines wirklichen Verbrechens oder der
Scham wegen eines Bruchs der Gesetze der Etikette oder der Bescheidenheit aus
Demut oder der bei einer Unzartheit sich regenden Sittsamkeit sein, in allen
Fällen von demselben Grundsatze abhängt, und dieser Grundsatz ist eine empfindliche
Rücksicht für die Meinung und ganz besonders für die Geringschätzung anderer
ursprünglich in Beziehung auf unsere persönliche Erscheinung, speziell unseres
Gesichts, und in zweiter Linie durch die Kraft der
Assoziation und der Gewohnheit in bezug auf die Meinung anderer über unser Betragen.
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dar
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Erröten (3) Die Menschen erröten weniger über ihre Laster
als über ihre Schwächen und ihre Eitelkeit. Mancher
ist ganz offen ungerecht, gewalttätig, verräterisch, verleumderisch, der seine
Liebe oder seinen Ehrgeiz ohne andere Absicht verheimlicht, als sie zu verbergen.
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bru
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Erröten (4) Ob aber das Erröten das Bewußtsein einer
Schuld oder vielmehr ein zartes Ehrgefühl... verrate,
ist in vorkommenden Fällen ungewiß. - Immanuel Kant
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