rnst nehmen  Er erlebte das manchmal an sich, besonders morgens oder wenn er vor den Spiegel trat, um sich zu rasieren. Er musterte sein breites Gesicht mit den dicken Säcken unter den großen Augen und dem immer spärlicher werdenden Haar und sagte dann, wie um sich Angst einzujagen, mit betont strenger Stimme zu sich selbst: »Da ist ja der Herr Kommissar.«

Wer hätte gewagt, ihn nicht ernst zu nehmen? Scharen von Leuten, die kein gutes Gewissen hatten, zitterten schon, wenn sie seinen Namen hörten. Er hatte die Macht, sie zu verhören, bis sie vor Angst winselten, sie einzusperren oder sie der Guillotine zu überantworten.

Wie er, hörte jemand in diesem Augenblick auf der Insel den Klang der Glocken und atmete den sonntäglichen Frieden, einer, der am Abend vorher im gleichen Raum wie er getrunken hatte und in wenigen Tagen für immer hinter Mauern verschwinden würde.

Er trank seine Tasse Kaffee aus, goß sich eine zweite ein, die er in sein Zimmer mitnahm, und es fiel ihm schwer sich vorzustellen, daß das alles ernst war. Es war noch gar nicht so lange her, daß er kurze Hosen trug und in der kalten Morgenluft mit erstarrten Fingern über den Platz seines Dorfes lief, um in der kleinen Kirche, die nur von Kerzen erhellt war, bei der Messe zu dienen. Jetzt war ei ein Erwachsener. Alle hielten ihn dafür, und nur er selber konnte es manchmal kaum glauben.

Ob andere bisweilen dasselbe Gefühl hatten? Ob Mr Pyke beispielsweise sich hin und wieder fragte, ob man ihn ernst nehmen könne? Kam ihm nicht auch, wenn auch freilich nur selten, alles wie ein Spiel, das ganze Leben als etwas höchst Lächerliches vor?  - Georges Simenon, Mein Freund Maigret. München 1975 (Heyne Simenon-Kriminalromane 10, zuerst 1949)

Ernst nehmen (2)  Die Menschen  nahmen  damals Beerdigungen noch sehr ernst. Nicht den Tod: der Tod war unser ständiger Vertrauter: da war keine Familie, deren Chronik nicht mit Kreuzen übersät war, mit Grabkreuzen, deren Lebensdaten zu kurze Zeit gültig waren, um auch nur einen Namen auf zuweisen — es sei denn, daß auch die Mutter im gleichen Grabe ruhte, was weit öfter geschah, als man's meinen sollte. Ganz zu schweigen von den Ehemännern und Onkeln und Tanten in den zwanziger und dreißiger und vierziger Jahren und von den Großeltern und kinderlosen Großonkeln und -tanten, die damals im Elternhaus starben, im gleichen Zimmer und Bett, in dem sie geboren waren, und nicht in zellenartigen Euphemismen mit Namen, die für Sonnenuntergänge zutrafen. Aber die Beerdigungen, Ritual und Zeremonie der Beisetzung, waren feine und doch stahlharte Fäden, die sich noch weiter erstrecken und sogar noch mehr Gewicht tragen konnten als die Entfernung zwischen Jefferson und dem Golf von Mexiko.   - (spit)

Ernst zu nehmen (3)  Zeus nannte sich selbst «Herr der Schicksalsgöttinnen«, als er die oberste Herrschaft und das Recht, des Menschen Leben zu messen, für sich in Anspruch nahm. Daher rührt wahrscheinlich das Verschwinden der Lachesis, der 'Maßnehmenden', aus Delphi. Aber sein Anspruch, der Vater der Moiren zu sein, wurde weder von AISCHYLOS noch von HERODOT oder PLATON ernstgenommen.   - (myth)

 

Ernsthaftigkeit

 

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