rniedrigung    Nie gab es eine ausdrucksvollere Frau! Das war Gesang, was sie von sich gab, nichts anderes. Und sie fuhr fort, sich auszudrücken, als ich bei ihr war, es war ihre Art, alles in Worte zu fassen. In ihren Armen hielt sie den Zögling und Eingeweihten der gestrengen Rozsa. Er machte sie sehr glücklich und durft' es hören, daß er es tat:

»O Süßester! O Engel du der Liebe, Ausgeburt der Lust! Ah, ah, du junger Teufel, glatter Knabe, wie du das kannst! Mein Mann kann gar nichts, überhaupt nichts, mußt du wissen. O du Beseliger, du tötest mich! Die Wonne raubt mir den Atem, bricht mein Herz, ich werde sterben an deiner Liebe!« Sie biß mich in die Lippe, in den Hals. »Nenne mich du!« stöhnte sie plötzlich, nahe dem Gipfel. »Duze mich derb zu meiner Erniedrigung! J'adore d'être humiliée! Je l'adore! Oh, je t'adore, petit esclave stupide qui me déshonore ...«

Sie verging. Wir vergingen. Ich hatte ihr mein Bestes gegeben, hatte, genießend, wahrlich abgezahlt. Wie aber hätte es mich nicht verdrießen sollen, daß sie auf dem Gipfel von Erniedrigung gestammelt und mich einen dummen kleinen Sklaven genannt hatte? Wir ruhten noch verbunden, noch in enger Umarmung, doch erwiderte ich aus Mißmut über dieses »qui me déshonore« nicht ihre Dankesküsse. Den Mund an meinem Körper hauchte sie wieder:

»Nenne mich du, geschwind! Ich habe dies Du von dir zu mir noch nicht vernommen. Ich liege hier und mache Liebe mit einem zwar göttlichen, doch ganz gemeinen Domestikenjungen. Wie mich das köstlich entehrt! Ich heiße Diane. Du aber, mit deinen Lippen, nenne mich Hure, ausdrücklich ›du süße Hure‹!«  - Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Frankfurt am Main 1965 (Fischer-Tb. 639, zuerst 1954)

Erniedrigung (2) Mit Neugier blickte er auf einen riesigen Kosaken, der. das Gesicht im Schnee begraben, dalag und vor Schmerz stöhnte. Die Männer hatten ihn so lange gefoltert, bis sie nicht mehr konnten, und ihn dann den Weibern überlassen. Und die waren noch teuflischer als die Männer, wie das Geschrei des Mannes deutlich zeigte.

Subienkow sah es, und ihn schauderte. Er fürchtete nicht den Tod. Auf dem schweren Weg von Warschau nach Nulato hatte er allzuoft von Angesicht zu Angesicht mit dem Tode gestanden, um vor dem Sterben an sich zurückzuschaudern. Aber er fürchtete die Folter. Sie verletzte seine Seele. Und das nicht so sehr wegen der Qualen selbst, die er erdulden sollte, vielmehr wegen der traurigen Rolle, die er darin spielen mußte. Er wußte, daß er bitten und flehen und betteln würde wie der große Iwan und die anderen, die vorausgegangen waren. Das war nicht schön. Mutig und wurdevoll zu sterben, mit einem Lächeln und einem Scherz auf den Lippen — ja. so hätte es sein sollen. Aber die Selbstbeherrschung zu verlieren, ganz aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden durch die Folter. durch die Qualen, die dem Fleische zugefügt wurden, zu schreien und zu brüllen wie ein Affe, ein Tier zu werden — ja, das war das Schreckliche. - Jack London, Das verlorene Gesicht. In: J.L., Die konzentrischen Tode. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 14, Hg. Jorge Luis Borges

Erniedrigung (3)

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