rholung  So wie diejenigen, die von der athletischen Kunst Profession machen, und überhaupt alle, die ihrem Körper die möglichste Gesundheit und Stärke zu verschaffen suchen, neben den gymnastischen Übungen auch für gehörige Erhohlungsstunden besorgt sind, und dieses Ausruhen nach der Anstrengung für einen wesentlichen Theil der zu ihrem Zweck erfoderlichen Lebensordnung halten: eben so, glaube ich, ist es den Studierenden zuträglich ihren Geist, nachdem sie ihn mit ernsthaften und anstrengenden Studien anhaltend beschäftigt haben, ausruhen zu lassen, und durch eine schickliche Erhohlung zu künftigen Arbeiten desto kräftiger und munterer zu machen.

Zu dieser Absicht ist wohl nichts tauglicher, als eine Lectüre, die unter dem Schein, die Seele bloß mit freyen Ergießungen der Laune und des Witzes belustigen zu wollen, irgend einen nützlichen Unterricht verbirgt, und, die Musen gleichsam mit den Grazien spielen läßt. Etwas von dieser Art, hoffe ich, wird man in den gegenwärtigen Aufsätzen finden. Das anziehende, das sie (wie ich mir schmeichle) für die Leser haben werden, liegt nicht bloß in der Abenteuerlichkeit des Inhalts, oder in den drolligten Einfällen und in dem traulichen Ton der Wahrheit, womit ich eine so große Mannichfaltigkeit von Lügen vorbringe: sondern auch darin, daß jede der unglaublichen Begebenheiten, die ich als Thatsachen erzähle, eine komische Anspielung auf diesen oder jenen unserer alten Dichter, Geschichtschreiber und Philosophen enthält, die uns eine Menge ähnlicher Mährchen und Wunderdinge vorgelogen haben; und die ich bloß deßwegen zu nennen unterlasse, weil sie dir unterm Lesen von selbst einfallen werden.

Um aber doch wenigstens ein paar von ihnen zu nennen, so schrieb Ktesias, des Ktesiochus Sohn, von Knidos, in seinem Werke über Indien, Dinge, die er weder selbst gesehen, noch von irgend einem Menschen auf der Welt gehört hatte. Eben so hat ein gewisser lambulus viel unglaubliches von dem großen Ocean geschrieben, das zu handgreiflich nicht wahr ist um nicht von jedermann für seine eigene Erfindung erkannt zu werden, wiewohl es sich ganz angenehm lesen läßt. Viele andere haben, in eben diesem Geiste, ihre angeblichen Reisen und zufälligen Verirrungen in unbekannte Länder geschrieben, worin sie von ungeheuer großen Thieren, wilden Menschen, und seltsamen Sitten und Lebensweisen unglaubliche Dinge erzählen. Ihr Obermeister und Anführer in dieser kurzweiligen Art die Leute zum Besten zu haben, ist der berühmte Homerische Ulysses, der dem Alcinous und seinen einfältigen Phäaziern eine lange Erzählung vom König Äolus und den Winden, die seine Sclaven sind, von einäugigen Menschenfressern und anderen dergleichen Wilden, von vielköpfigen Thieren, von Verwandlung seiner Gefährten in Thiergestalten, und eine Menge andrer Albernheiten dieses Schlages aufheftet. Ich meines Ortes habe allen diesen wackern Leuten, so viele ihrer mir vorgekommen sind, das Lügen um so weniger übel genommen, da ich sahe daß so gar Männer, welche bloß philosophieren zu wollen vorgeben, es um kein Haar besser machen: aber das hat mich immer Wunder genommen, wie sie sich einbilden konnten, ihre Leser würden nicht merken, daß kein wahres Wort an ihren Erzählungen sey. Da ich nun der Eitelkeit nicht widerstehen kann, der Nachwelt auch ein Werkchen von meiner Fasson zu hinterlassen, und wiewohl ich nichts wahres zu erzählen habe, (denn mir ist in meinem Leben nichts denkwürdiges begegnet) nicht sehe warum ich nicht eben so viel Recht zum Fabeln haben sollte als ein andrer: so habe ich mich wenigstens zu einer ehrenfestem Art zu lügen entschlossen als die meiner Herrn Mitbrüder ist; denn ich sage doch wenigstens Eine Wahrheit, indem ich sage daß ich lüge; und hoffe also um so getroster, wegen alles übrigen unangefochten zu bleiben, da mein eignes freywilliges Geständniß ein hinlänglicher Beweis ist, daß ich niemanden zu hintergehen verlange. Ich Urkunde also hiemit, daß ich mich hinsetze um Dinge zu erzählen, die mir nicht begegnet sind; Dinge, die ich weder selbst gesehen noch von andern gehört habe, ja, was noch mehr ist, die nicht nur nicht sind, sondern auch nie seyn werden, weil sie — mit Einem Worte — gar nicht möglich sind, und denen also meine Leser (wenn ich anders welche bekommen sollte) nicht den geringsten Glauben beyzumessen haben. - (luege)

Erholung (2)  Ich will zur Erholung etwas aus der chinesischen Medizin anführen, um zu ergründen, ob etwas Vernunft auch in der ist, obgleich das am Anfang verrückt aussehen kann.

Alle Dinge schließen zwei Prinzipien ein: Yang = Primordialwärme und Yin = Radikalfeuchtigkeit. Der Mensch, kann gesagt werden, umfaßt: Himmel = vom Kopf zum Magen; einschließend Lungen und Herz = Wolken. Mensch = Magen, Leber, Milz = Regen. Erde = Nieren, Därme, Blase. Yang = Wärme, strebt nach oben. Yin = Feuchtigkeit, strebt nach unten. Wärme = Yang = Eingeweide, Galle, Blase, Magen. Feuchtigkeit = Yin = Herz, Leber, Nieren, Lungen, Milz.

Die kleinen Därme (der Dünndarm) stehen in Verbindung mit dem Herzen, der Dickdarm (Colon) steht in Verbindung mit den Lungen.

(Durch das Peritonaeum und das Mesenterium mit ihren Gefäßen sind ja die Därme in gewisser Verbindung sowohl mit dem Herzen wie mit den Lungen; wie indirekt, müßte genauer untersucht werden.)

Das Herz ist das vollkommenste Eingeweide. Dessen Mutter ist die Leber; dessen Sohn ist der Magen oder die Milz.

Das klingt ja unsinnig, aber die Embryologie lehrt wirklich, daß die Leber sich früher als das Herz entwickelt; und daß das Herz ursprünglich eine "Verdickung der Faserwand des Vorderdarms" ist, die zwei venae omphalo-mesentericae aufnimmt.

Die Leber wieder wächst aus der vorderen Wand des Duodenums hervor und umfaßt bald, ganz wie das Herz, die vena omphalo-mesenterica.

Es war nicht so töricht, das Herz den Sohn der Leber zu nennen. Schwerer aber ist es, die Milz zum Sohn des Herzens zu machen. Doch will ich jetzt das Wenige erzählen, das ich von der Milz weiß; dann werden wir sehen!

Die Milz ist ein Reservoir; bei Injektion von Blut in eine Vene schwillt sie, ganz und gar wie bei Malaria (Wechselfieber), Leukämie etc. Bei Aderlaß sinkt sie zusammen. (Besteht fast nur aus radicules veineuses wie die corpora cavernosa, und ist darum erektil, wie es das membrum virile und die Brustwarzen sind.) Die Exstirpation vermindert die roten Blutkörperchen, und die Milzarterie ist ungewöhnlich grob, im Lumen l Zentimeter (französische Autorität). Die Exstirpation ist ohne schädlichen Einfluß, aber die Lymphganglien vergrößern das Volumen (übernehmen vielleicht die Arbeit der Milz). Eine andere Folge der Exstirpation ist, daß das Pankreas einen unwirksamen Saft absondert, der nicht Trypsin enthält; (scheint also obendrein noch den Pankreassaft zu bereiten).

Fahre jetzt in der chinesischen Medizin fort! Die Feinde des Herzens sind die Nieren, dessen Freund ist die Leber. Wird regiert vom Feuer.

Beherrscht Stirn, Blut, Zunge, das Innere der Hand (kalte Hände, warmes Herz; eines guten Herzens guter Handschlag). Die Zunge lernt dessen Bewegungen (wovon das Herz voll ist, davon spricht die Zunge).

Die Farbe des Herzens ist die des Hahnenkamms; sein Geschmack ist bitter; riecht nach Gebranntem; seine Stimme ist die des Lachens; seine Flüssigkeit ist Schweiß. Das Herz haßt Hitze und übertriebene Gedankenarbeit.

Gleicht der nicht aufgebrochenen Blüte der Seerose. Ist durchbrochen von 7 Löchern und 3 Rissen. Sein Verbindungskanal mit den andern Eingeweiden geht von der Mitte des Herzens in den kleinen Finger hinaus, wo er sich mit dem intestin grele (dem Dünndarm?) vereinigt.

Das Herz nimmt den Chylus auf und arbeitet ihn zu Blut um. (Das ist etwas anderes, als wenn der Brustgang sich in die Jugularvene entleert und danach in den Lungen rotes Blut wird.)

Ich will nur etwas über die Lunge hinzufügen. Der Chinese sagt, die Lunge beherrsche die Haut, die Poren, das Haar und die Nasenlöcher; und sie enthalte viel Luft und wenig Blut. - (blau)

Erholung (3)  Ich habe darüber nachgedacht, warum alle Fanatiker für den geschlechtlichen Verkehr in Form der Ehe sind. Zeugen: der Abbé de Saint-Pierre, Luther, Descartes, Rousseau und Ihr Domherr. Und warum alle großen Charaktere den freien Geschlechtsverkehr lieben; Zeugen: Caesar, Augustus, Lorenzo de'Medici, Heinrich IV. usw. Der Grund ist der: Der Fanatiker ist glücklich in der Ausgestaltung seiner Ideen; er liebt es nicht, sich von ihnen ablenken zu lassen; nichts beruhigt so sehr wie eine Haushälterin. Die großen Männer lieben den Tumult der Ideen; ihre Erholung besteht darin, daß sie sich einem anderen, noch heftigeren Wirbel überlassen. Die Galanterie ist das wildeste aller Gewitter; sie ist für sie eine Erholung. - (gale)

Erholung (4) Ich flüchtete in das Dunkel, die Einsamkeit einer Kneipe, etwa in den Vormittagsstunden eines hellen Sonnentages. Zwischen den notwendigen Arbeiten, die ich den Tag über zu erledigen hatte, waren dies Stationen der Erholung, innere Sammlung, ohne anderes Ziel als einer Routine zu entfliehen. Der Notwendigkeit enthoben, mir selbst darüber klarzuwerden, was zu tun - - - überhaupt etwas zu tun. Ich nehme an, daß dies eine der Voraussetzungen ist, unter denen ein Trinker entsteht, der Alkoholiker.

Ich kann von mir nur sagen: ob ich mit Recht als Alkoholiker in diesen Jahren eingestuft worden bin, kann ich nicht beurteilen - daß meine äußere Arbeit niemals darunter gelitten hat, daß ich niemals etwas versäumt oder deswegen aufgegeben hätte, würde eher dafür sprechen. Ich kann dagegen heute noch sagen, daß es mir jedesmal große Mühe gekostet hat, das erste Glas des Getränkes herunterzubringen, ja sogar es überhaupt anzufassen - - - ich hasse den Alkohol ohne Unterschied. Er bringt einen turbulenten Widerstand hoch, ehe ich diese Abneigung zähmen, zügeln und niederzwingen kann. Und auch in den darauffolgenden Stunden und Tagen ist eine Art Reflex dieses Widerstandes nicht völlig gewichen. Denn es hat sehr oft Tage gedauert, ich meine Tage und Nächte, die ich dann im Alkohol unterwegs gewesen bin, in einem wenig differenzierten Zustand, zwischen Provokation und dumpfer Resignation, nicht eigentlich betrunken, den Magen genügend zementiert mit dem Senf aus dem Essenszubehör auf dem Wirtshaustisch; ich wäre handlungsfähig geblieben, wenn man das von mir verlangt hätte.  - Franz Jung, Der Weg nach unten. Aufzeichnungen aus einer großen Zeit. Salzhausen 1979 (zuerst 1961)

Erholung (5)
Arbeit Ruhe
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