rfolgsschriftsteller  Er habe sich vorgestellt, wie schön es sein würde, wenn etwas von ihm im Feuilleton des ›Berliner Tageblatts‹ abgedruckt würde.

Dann habe er, eigentlich nur als literarische Übung, ›Im Westen nichts Neues‹ geschrieben, in sechs Wochen und ganz leicht, ohne irgendwelche Mühe. Überhaupt sei das Schreiben etwas ganz Leichtes, wenn man erst den Stoff fest gepackt hätte. Wenn man auf der Eisenbahn fahre, sehe man manchmal gegen Abend irgendwo, zwischen Sowieso und Sowieso, einen einsamen Menschen über ein Feld gehen, und gegen den Himmel erscheine er unendlich groß. Das sei es! Man müsse seine Menschen gegen den Himmel stellen, den Hintergrund hinter ihnen aufbauen, dann seien sie ohne jede Ausschmückung und jedes Pathos groß. Das versuche er, seinen Menschen den Hintergrund des Unendlichen zu geben. Wenn man das erst erfaßt habe, dann sei das Schreiben ganz leicht. Vielleicht seien die Sätze dann nicht so gepflegt wie bei einem Berufsliteraten, aber sie gingen mehr zu Herzen. Arnold Zweig (›Grischa‹) habe ihm vorgeworfen, daß er schludere; aber bei Arnold Zweig stelle sich die Kunst zwischen sein Buch und die Leser, und ihm, Remarque, komme es darauf an, ganz nah an seine Leser heranzukommen, das genüge ihm, wenn sein Stil literarisch auch nicht so gepflegt sei wie der Zweigs.

Der Erfolg seines Buches habe ihn mehr deprimiert als erfreut. Vorher habe er geglaubt, daß ein Erfolg befriedigen könne; aber da habe er gesehen, daß der Erfolg nichts sei, daß er den Menschen nicht ausfülle. Nie sei er dem Selbstmord so nah gewesen wie in den ersten Monaten nach dem Erscheinen seines Buches. Was ihn aus der Depression wieder herausgebracht habe, sei der Gedanke gewesen, daß das Buch irgendwie vielleicht genützt habe. Das sei es, die Hilfe, die man dieser oder jener guten Sache, der des Friedens zum Beispiel, leiste oder irgendeinem Menschen, das sei das einzig Wertvolle. Er möchte später irgend etwas für Vereinsamte, in der Welt Ratlose machen, vielleicht ein Heim, wo junge Schriftsteller sorglos leben und arbeiten könnten. Ob ›Im Westen nichts Neues‹ wirklich ein gutes Buch sei, wisse er nicht; für ihn sei es nur eine Fingerübung gewesen.  - Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937. Hg. Wolfgang Pfeiffer-Belli. Frankfurt am Main 1982 (it 659)
 

Schriftsteller Erfolgsmensch
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