rbautier Schließlich gibt es noch eine Seinsart dieser FEUER, ESSENZEN oder ZENTREN, die wir hier ERBAUTIERE nennen wollen, womit gemeint ist, daß sie dem Bild eines wilden Tieres gleichen, eines Tieres, das im Kreis herumläuft, flieht und verfolgt, dies Tier aber ist nicht aus Fleisch; sondern Glut des FEUERS, kristallene ESSENZ und Mühe des ZENTRUMS tragen bei zur ERBAUUNG des TIERES, das zwar künstlich gemacht, aber aus nichts anderem besteht als aus sich selbst; aber als wildes Tier zugleich Peiniger und Gepeinigter ist: in der Höhe steht das ERBAUTIER, lebendig und mit aufgeschlitztem Bauch, ein blutiger, weit aufgerissener Leib. Dies Blut bricht auf und ergießt sich über den Raum, es kocht und gerinnt und ist wohl die ureigenste Redeweise solch wandlungsfähiger FEUER. Aufgeschlitzt und ewig sind die ERBAUTIERE, nichts verhehlen sie vom Geheimnis der Eingeweide; aber die Eingeweide können, obschon einsehbar, ja sogar lehrreich, nicht befragt werden; und diese ihre Dunkelheit bekümmert die ERBAUTIERE. Wer wissen möchte, welchen Tieren die ERBAUTIERE gleichen, der wisse, sie haben als Verfolger etwas vom Wolf und als von Wolfszähnen ausgeblutete etwas vom Hirsch, wiederum vom Hirsch als horngekrönte Monarchen und wiederum vom Wolf als Einzelgänger mit Vorsichtswahn. Weitere Verwandlungen werden sich wohl im folgenden noch herausstellen.

Da wohl das ERBAUTIER die unerklärlichste Verwandlung des FEUERS, der ESSENZ und des ZENTRUMS ist, erscheint es nicht sinnlos, noch ein wenig von ihm zu handeln. Das ERBAUTIER ist aus demselben Stoff erbaut wie Königspaläste, Kerker, Tempel und Küchen; organisches und steinernes Material in einem, heilig im himmlischen Sinn, geweiht, entheiligt, entweiht, heilig im höllischen Sinn. Dieser Stoff, eher vielfältig als widersprüchlich zu nennen, erklärt, wie aus ihm ein Tier zusammengesetzt und geboren werden kann, das Wolf und Hirsch in einem ist; als Wolf verfolgt es, lauert mißtrauisch in seinem Versteck und geht auf leisen Pfoten weiter; als Hirsch ist es gepeinigte Beute und mit knöcherner Krone gekrönter Monarch; es mag also nicht seltsam erscheinen, wenn das ERBAUTIER noch eine Verwandlung kennt: aus ihm geht nämlich der THRON hervor, unerforschlicher und nur möglicher Sitz eines Königs, denn der THRON ist ebenso feierlich wie verlassen; im Unterschied zu den ESSENZEN und den ZENTREN führen die Throne keinerlei Gespräche, sie scheinen nicht über die Freuden eines Wortschatzes zu verfügen, es sei denn zum Zweck der Einschüchterung und des Zeremoniells. Wenn der THRON sich selbst als ESSENZ oder FEUER denkt, so verzehrt er sich bis zur Erschöpfung, als ESSENZ vergeht er in dämmernden Lichtern, die dennoch nicht erlöschen, als FEUER entbrennt er zu einem raschen Scheiterhaufen, der sich dennoch nicht verzehrt; denkt er sich aber als ZENTRUM, so spaltet er sich und erkrankt, denn er kann nicht zugleich angreifen und in sublimer Ruhe verharren. Der kranke THRON zeigt alle Mühsale des Greisentums; und verwandelt er sich in resignierte ESSENZ, so wird er von den anderen ESSENZEN angegliedert und aufgezehrt. Die ESSENZEN schätzen nämlich die Thronkrankheit sehr. Hier müssen als extreme Beispiele für die Verwandlungen der FEUER oder ESSENZEN oder ZENTREN oder ERBAUTIERE oder THRONE die unbeschreibbaren Gestalten des DONNERS zitiert werden, der durch düster verschlungenes Tosen seine Macht im System ausübt; sodann die Gestalt des SCHATTENS, zu dem weder ein Körper noch Sonne gehört und der sich nur dank eines vorsichtigen und wohlwissenden Wahnsinns betrachten läßt; sodann die Gestalt der ERINNERUNG, für die es keinerlei wirkende Gewalt gibt außer dem Fortbestehen einer

Gewalt, die eine hartnäckige und nicht ausmerzbare Vergangenheit bewirkt hat;

sodann die Gestalt der PROPHEZEIUNG, die ihre Macht von einem künftigen Ort her ausübt, immer gleich künftig, also niemals meßbar, ebenso wie der vergangene Ort nicht meßbar ist, der eine wie der andere bestimmt, spiegelbildlich unerreichbar zu sein; ob etwas als NICHTS anwesend sein kann, müßte erforscht werden, aber die Unmöglichkeit, es zu erforschen, scheint dafür zu sprechen; die Gestalt des NICHTS ist vernünftig und möglich, weiterzugehen ist wohl hier nicht gegeben; obschon manche der Ansicht sind, das NICHTS könne zwei Isomorphismen haben: das NICHTS als Mangel und das NICHTS als Abschaffung, das heißt als Verweigerung, Verneinung, Auslöschung, Immerträgerwerden, als NEIN.  - Giorgio Manganelli, System. In: (irrt)

Fabeltier
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe
Synonyme