phemer  Nicht nur die fiktiven, sondern auch die wirklichen Ereignisse sind eigentlich Schein und Vorwand,  sogar wahrhaftige, lebende Menschen sind nur eine zufällige Form, eine Maske, hinter der sich ein dunkles, anonymes Element verbirgt. Denn sind nicht die Formen der heutigen Welt provisorisch und vorübergehend, wird sich in einer Million Jahren unsere physische und geistige Gestalt nicht bis zur Unkenntlichkeit verändert haben, und mit ihr das ganze von uns definierte Weltbild, wird denn nicht die Gattung Mensch, die aus dem Fisch entstanden ist, sich in Tausenden von Jahrhunderten in andere Formen verwandeln? Ist nicht das ganze heutige System unserer Formen und Normen nur ein vergänglicher Augenblick in der Entwicklung, etwas — im ewigen Geist — zutiefst Unbeständiges und Fließendes? Und sieht es nicht so aus, als nähme ein und derselbe Inhalt ständig neue Formen an, als zeigte sich das Element in immer neuer und zufälliger Gestalt - und ein Mensch zum Beispiel, der sich fürchtet, ist ephemer, aber die Angst selbst in ihm ist etwas Ewiges und Beständiges; ein vom Baum fallender Apfel ist Zufall, aber die Mechanik der Welt selbst ist etwas Ewiges. Und die Mystifizierung, der wir zum Opfer fallen, beruht darauf, daß wir im praktischen Leben jene zufälligen Formen als etwas ein für allemal Festgelegtes annehmen müssen.  - Witold Gombrowicz, Das Werk von Bruno Schulz. In: W.G., Eine Art Testament. Gespräche und Aufsätze. Frankfurt am Main 2006 (Fischer Tb. 16758, zuerst 1968)
 
 

Dauer Tag

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme