ntzug  Der Mittwoch war lang und schlimm. Um Mittag taten mir bereits die Kinnladen ebenso weh wie Gabrielle, weil ich dauernd mit zusammengebissenen Backenzähnen herumgelaufen war. Sie bekam jetzt das dicke Ende zu spüren. Licht war für ihre Augen, Geräusche für ihre Ohren, jede Art von Geruch war für ihre Nase eine direkte und wirkliche Qual. Das Gewicht ihres seidenen Nachthemds, die Berührung mit der Bettwäsche unter ihr und über ihr peinigte ihre Haut. Unablässig zerrten alle Sehnen, die sie hatte, an allen ihren Muskeln. Versprechungen, daß sie nicht sterben würde, nützten jetzt nichts mehr - das Leben war ihr einfach nicht mehr lieb genug.  »Geben Sie's auf, dagegen anzukämpfen, wenn Sie wollen«, sagte ich. »Lassen Sie sich nur gehn. Ich werd schon auf Sie aufpassen.«

Sie nahm mich beim Wort, und ich hatte es mit einer Rasenden zu tun. Einmal kam auf ihre Schreie hin Mary Nuñez herein, die mich in mexikanischem Spanisch anfauchte und  anspuckte. Ich hielt Gabrielle gerade an den Schultern im Bett nieder und schwitzte dabei ebenso wie sie.

»Raus hier!« fauchte ich meinerseits die Mexikanerin an. Sie fuhr mit einer braunen Hand in den Ausschnitt ihres Kleides und trat einen Schritt ins Zimmer. Hinter ihr tauchte Mickey Linehan auf, zog sie in den Flur zurück und machte die Tür zu.

Zwischen den Höhepunkten lag Gabrielle auf dem Rücken, keuchte und zuckte und starrte mit hoffnungslosen, leidenden Augen an die Decke. Manchmal schlossen sich ihre Augen, aber das Zucken ihres Körpers hörte nicht auf. - Dashiell Hammett, Der Fluch des Hauses Dain. Zürich 1976 (detebe 20293, zuerst 1929)

Entzug (2)   Heute abend las ich zufällig wieder im ‹Brulard›. Stendhal schreibt, daß er mit fünfzig Jahren sehr wohl vierzehn Tage oder drei Wochen ohne Frauen sein konnte. Liegt es daran, daß ich eine besondere Nummer zur Geliebten habe: es fällt mir (mit dreiundfünfzig Jahren) schwer, eine Woche lang nicht mit ihr zu schlafen, wenn ich sie täglich sehe, und wenn sie im Sommer verreist ist, dann ist ein Monat Enthaltsamkeit das Äußerste, was ich ertragen kann. Ich werde dann tyrannisch, besessen - das Verlangen, die Vorstellungen und Erinnerungen an unsere Lust werden zur fixen Idee, und das geht so weit, daß ich Genuß daran habe, ihr Zotigkeiten zu schreiben (freilich kann ich das nur in sehr verhüllter Form tun) oder für mich selber obszöne Zeichnungen anzufertigen, die mich an unsere gemeinsamen «Stellungnahmen» erinnern.  - (leau)

Entzug (3)  Die gefesselten  Würmer auf Mrs. Cunninghams Schoß versuchten noch immer, sich freizukämpfen.

»Ich fang an zu flimmern, Peter«, sagte sie. »Fühl meinen Puls, wenn du mir nicht glaubst. Kammerflimmern kann sehr gefährlich sein.«

»Dann hör auf damit.«

»Ich mache das doch nicht absichtlich. Ich kann nicht dagegen an. Ich hatte schon immer diese Tendenz...«

»Verschon mich mit deinen Tendenzen«, sagte Peter.

»Warum bist du so grausam zu mir, Peter? Ich hyperventiliere, und ich habe Herzkammerflimmern, und du gönnst mir nicht mal ein Valium. Ich könnte auch grausam sein, wenn ich wollte.«

»Versuch's doch.«

»Du denkst, daß ich von gewissen Dingen keine Ahnung habe. Aber da irrst du dich. Wenn ich wollte, könnte ich davon erzählen. Ich hätte eine Menge zu erzählen.«

»Nur zu.«

»Ich tu's natürlich nicht. Ich bin keiner Grausamkeit fähig. Das steckt einfach nicht in mir drin.«

»Was in dir drin steckt«, sagte Peter, »ist ein Schnapsquantum, mit dem man einen Tanker flottmachen könnte, und ein Pillenarsenal, an dem eine ganze Walschule ersticken würde.«

»So darfst du nicht mit deiner Mutter sprechen. Kein Sohn sollte so mit seiner Mutter sprechen.«

»Ich könnte ja mal eine neue Mode einführen.«

»Du hast mir vor dem Weggehen nur einen klitzekleinen Drink bewilligt.«

»Zwei.«

»Die waren aber ziemlich dünn.«

»Es waren Doppelte.«

»Mußt du ständig widersprechen?«

»Nein«, sagte Peter. »Nur wenn du lügst.«  - Margaret Millar, Banshee, die Todesfee. Zürich 1990 (zuerst 1981)

Entzug (4)   Ein unnatürliches Überhandnehmen von Sauerstoff würde, das hatte man ermittelt, in just einer solchen Erhöhung des animalischen Lebensgefühls resultieren, wie wir sie jüngst an uns erfahren hatten. Und was aus dieser Idee folgte, das war's, was solch heilige Scheu hervorgerufen hatte. Was würde das Ergebnis einer totalen Extraktion des Stickstoffs sein? Ein gigantischer Brand würde sich entzünden, unwiderstehlich, alles verschlingend, allverbreitet, unmittelbar; - in allen ihren kleinsten und schrecklichen Einzelheiten die genaue Erfüllung der feuerlichen und Grauen einflößenden Drohung, welche die Prophezeiungen des Heiligen Buches enthalten.

Was soll ich dir, Charmion, noch das nun entfesselte Rasen der Menschheit malen? Jene Dünnigkeit der Kometenmaterie, welche uns vormals mit Hoffnung erfüllt hatte, ward nun zur Quelle bitterer Verzweiflung. In ihrem unfaßbar feinen Gascharakter erkannten wir nun klar Besiegelung und Ende unsres Schicksals. Derweil verging erneut ein Tag, und mit ihm schwand uns der letzte Hoffnungsschimmer. Wir rangen keuchend nach Atem, während die Luft sich mit reißender Schnelle zersetzte. Ungestüm brauste das rote Blut durch seine engen Kanäle. Ein wildes Fieberrasen ergriff von allen Menschen Besitz; und starr die Arme gegen den drohenden Himmel ausgestreckt, erzitterten sie und schrien laut. Doch nun hatte der Kern des Vernichtets uns erreicht: noch hier in Eden schaudere ich, derweil ich davon spreche. Laß mich es kurz machen - kurz, wie der Untergang es war, der uns ereilte. Für einen Augenblick war alles ein einzig wildes Geisterlicht allein, das alle Dinge heimsuchte und durchdrang. Dann - laß die Knie uns beugen, Charmion, vor der unendlichen Majestät des großen Gottes! - dann kam ein dröhnender, allübertönender Laut, als wie aus SEINEM Munde selbst; derweil die ganze hangende Masse des Äthers, in welchem wir lebten, in einer riesigen Stichflamme aufbarst, zu einem Feuergebild, für dessen unendlichen Glanz und allversengende Hitze die Engel selbst im hohen Himmel der reinen Erkenntnis nicht Wort noch Name mehr haben. So endete alles. - Edgar Allan Poe, Die Unterredung zwischen Eiros und Charmion. Nach: Weltuntergangsgeschichten. Von Poe bis Dürrenmatt. Zürich 1981

Entzug (5) An den Abenden nahm ich immer zwei Streifen Benzedrin, ging in eine Kneipe und setzte mich neben die Jukebox. Wenn man einen Entzug durchmacht, ist Musik eine große Hilfe. In Texas ›kickte‹ ich einmal eine Sucht mit Hilfe von Marihuana, einem halben Liter Paregoric  und ein paar Louis Armstrong Platten.

Fast noch schlimmer als die körperlichen Qualen sind die depressiven Zustände, die sie begleiten. An einem Nachmittag schloß ich die Augen und sah New York in Trümmern. Riesige Tausendfüßler und Skorpione krochen durch die menschenleeren Bars und Cafeterias und Drugstores der 42. Straße. Unkraut wucherte aus Rissen und Löchern im Asphalt. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. - (jun)

 

Heilung Sucht

 

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