Entschleunigung   Caligula bestand mit Nachdruck darauf, daß zum Tod Verurteilte mit vielen schwachen Hieben vom Leben zum Tode gebracht wurden. Immer wieder richtete er dabei an den Henker die schon bekannte Mahnung. »Triff ihn so, daß er spürt, wie er stirbt!« Als aufgrund einer Verwechslung einmal ein anderer Mann als der dafür bestimmte mit dem Tod bestraft worden war, nur weil er den gleichen Namen hatte, meinte Caligula, der habe jedenfalls dasselbe verdient. Gern zitierte er auch den Satz des tragischen Dichters Accius: »Sollen sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten.«  - Sueton, nach (gsv)

Entschleunigung (2)

Entschleunigung (3)  Chucky glaubte, daß sich bei ihm nur dann gespannte Aufmerksamkeit und Konzentration einstellten, solange er in Bewegung war - daß dann seine Nerven klickten und ihm die richtigen Eingebungen funkten. Das ließ sich bis in seine Kindheit zurückverfolgen, wo er als hyperkinetischer Zehn- oder Elfjähriger vier Hunde fast zu Tode gejagt hatte, die dann röchelnd und mit hängender Zunge ins Haus zurückgewankt waren. Und wenn er so richtig ins Rasen gekommen war, hatten sogar die Jagdhunde aufgegeben, wie er gern erzählte, und mit traurigen Augen zu ihm aufgesehen.

Seit er erwachsen sei, sagte Chucky oft, wäre er um vieles ruhiger geworden, hätte er eine Ebene gefunden, auf der er in Frieden leben könnte. Die Leitersprossen, die ihn da hinaufgeführt hatten: Als erstes vermasselte er das Einführungssemester zum Jurastudium im Wake Forest College. Dann erlebte er ein unwahrscheinlich grauenhaftes ›High‹ in Vietnam nach sieben Monaten an den Front - zweihundert Tage, die zu einem Moment zusammenschmolzen, als er keinen Muskel rühren konnte, fast den Verstand verlor und außer Selbstmord keine Möglichkeit sah, dieser Panik Herr zu werden. Und er hatte es versucht, mit aller Macht versucht hatte er es - bis sie ihn dann im Veteranenhospital in Memphis mit Thorazin auf den Boden zurückholten. Die letzte Sprosse war Miami gewesen, wo Charles Lindsay Gorman III seine Chucky Buck-Phase durchlebte, Geschäfte machte, reich wurde und sein Glück in einer stetigen Dosierung von Valium und Aufputschmitteln wie Qualude fand - vor Mahlzeiten oder immer dann, wenn sein Gemütszustand in einen rasenden Leerlauf geriet.

Der Effekt der Drogen bestand darin, daß er sich vorkam, als würde er unter Wasser schwimmen, nur ohne Wasser. Oder im Licht schweben. Er war zwar immer noch in Bewegung, spürte auch den Drang danach, aber er bewegte sich nicht mehr kinetisch, sondern er schwebte. Er brauchte nur aufzutanken und sich von der Stimmung tragen zu lassen. Dazu setzte er sich den Strohhut schräg auf den Kopf, glitt über den Parkettboden seines Arbeitszimmers und tänzelte steifbeinig zum Kool-and-the-Gang-ßeat, den er sich leise im Kopf andrehte. Und wenn er so dahinschwebte, zerplatzten Hunderttausende von bunten Lämpchen wie Leuchtkugeln in seinem Kopf, aber lautlos, ohne jedes Geräusch. »Denn verstehst du«, sagte Chucky, »das Gehör ist dann so akut, daß man den Kopf schalldicht machen und die Dezibel ganz runterdrehen muß.«  - Elmore Leonard, Stick. München 1990

 

Langsamkeit

 

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Verwandte Begriffe
Bremse
Synonyme
Verlangsamung