ntjungferung   Ich gebe zu, daß mir das Arbeiten in der Wohnung der Rothschilds gefiel. Wir waren den größten Teil des Tages mit diesem appetitlichen Weibsbild zusammen, und nicht einmal ich war diesmal so dumm, die Möglichkeiten zu verkennen, die mein Entwurf in gewisser Hinsicht bot. Wenn die alten Rothschilds abends ausgingen, organisierten wir manchmal kleine Atelierfeste. Lene, das Mädchen, lud ihre Freundin ein, »damit der Rote was zum Schmusen hat« (womit sie Richard meinte), und am Ende einer dieser Abende nahm ich das gute Mädchen mit in ein angrenzendes Zimmer und ging mit ihr so weit, wie ich mich traute. Offen gestanden lag es nicht an irgendeinem Widerstand des Mädchens, daß ich nicht gleich aufs Ganze ging. Aber etwas Seltsames geschah mit mir. Ich sah zum ersten Mal eine enthüllte Weiblichkeit, und der reine und kindliche Anblick ihrer Anatomie schockierte mich, wie das mit jungen Männern geschieht, die zu lange in der Einsamkeit geschmachtet haben. Die Realität kann in diesen Fällen der Obszönität ihrer geheimen Vorstellungen nicht standhalten. Ich erinnere mich, daß ich voller Verzweiflung von diesem Abend davonwankte und immer wieder um den Bayerischen Platz irrte, in der festen Überzeugung, ich sei impotent. Dies, dachte ich, sei bestimmt ein ausreichender Grund, mich zu erschießen oder von einem hohen Turm hinabzustürzen. Aber Lene fand einen Weg. Sie bat mich eines Nachmittags, als auch »der Rote« ausgegangen war, ihr in ihrer Mädchenkammer Gedichte vorzulesen, wozu ich mich allen Ernstes anschickte! Doch der Ort, die verlockend nach Bett duftende Mädchenkammer, das Mädchen, das sich auf seinem Lager immer weiter zurücklehnte, gewannen die Oberhand, und ich machte meine erste, verwirrende Erfahrung. Verwirrend war sie tatsächlich, denn obwohl ich nun erhobenen Hauptes gehen konnte, da ich mich endlich als Mann bewiesen hatte, entsprach die Sache als solche auch hier nicht meinen Erwartungen. Regelmäßige Übung bewirkte jedoch, daß meine Mätresse und Lehrmeisterin mir eines Tages ein stolzes mütterliches Lächeln schenkte und sagte: »Julius, ich glaube, jetzt bist du soweit, daß man dich auf die Menschheit loslassen kann.«  - Julius Posener, Heimliche Erinnerungen. In Deutschland 1904 bis 1933. München 2004

Entjungferung (2) Die Langsamkeit, womit ich mich auszog, um mich nicht so bald an seine Seite legen zu müssen, wurde ihm schließlich so unerträglich, daß er aus dem Bette sprang und trotz all meinem Sträuben mir die Strümpfe von den Beinen zog. Dann ging er wieder zu Bett und drehte, während ich ebenfalls hineinstieg, das Gesicht nach der Wand, damit ich mich nicht schämen möchte, mich vor einem Manne im Hemd zu zeigen. Ich löschte das Licht aus, obwohl er rief: »Nicht doch! Nicht doch!« und kaum lag ich im Bett, so stürzte er sich mit einer Inbrunst auf mich, und wie eine Mutter ihren bereits als tot beweinten Sohn umarmt – so küßte er mich und umschlang mich mit seinen Armen. Er griff mit den Händen nach meiner Harfe, die aufs beste gestimmt war; trotzdem aber wand ich mich in seinen Armen und tat, als ob ich durchaus nicht wollte. Indessen ließ ich ihn schließlich an die Orgel greifen, als er dann aber die Spule in die Kunkel stecken wollte, da weigerte ich mich entschieden. Er sagte zu mir: »Meine Seele, meine Hoffnung, halte nur ganz still! Wenn ich dir weh tue, darfst du mich totschlagen!« Ich blieb aber hartnäckig, und nun fing er an zu bitten, und während des Bittens tat er einige Stöße, die aber vorbeigingen. Darüber geriet er ganz außer sich, drückte mir seinen in die Hand und rief: »Mach es alleine, ich werde mich nicht rühren!« Ich aber antwortete ihm ganz weinerlich: »Was ist denn das für 'n dickes Ding? Haben denn die anderen Männer auch so große? Ihr wollt mich wohl mitten auseinanderspalten!« Während ich so sprach, hielt ich einen ganz kurzen Augenblick stille, aber gerade als er in der schönsten Erwartung war und ihm schon das Wasser im Munde zusammenlief, kroch ich unter ihm weg, worüber er ganz außer sich geriet. Vom Bitten ging er zu Drohungen über, die er unter greulichen Flüchen ausstieß: »Beim heiligen Donnerwetter! Ich drehe dir das Genick um, ich erwürge dich!« Dabei packte er mich wirklich an der Kehle und drückte sie mir zusammen, aber nur ganz sachte, sachte. Dann fing er wieder an zu betteln, so daß ich ihm versprach, ich wollte ihm jetzt zu Willen sein. Sobald er aber mit der Schaufel ins Ofenloch hineinfahren wollte, weigerte ich mich wieder. Er stand auf und griff nach seinem Hemd, als ob er's anziehen und dann gehen wollte; da nahm ich ihn aber bei der Hand und rief: »Aber nicht doch! Kommt wieder ins Bett: Ich werde tun, was Ihr verlangt!« Kaum hatte er diese Worte vernommen, so war sein Zorn völlig verraucht; ganz fröhlich küßte er mich und sagte: »Du hast Angst davor; aber es tut nicht weher als ein Mückenstich, ganz gewiß nicht! Paß nur auf, wie sachte ich's machen werde!« Ich ließ ihn nun ein Stückchen, etwa ein Drittel einer Bohne, eindringen, dann aber kam er nicht weiter, sosehr er auch wütete und tobte. Schließlich rutschte er nach dem Bettrand; da lag er auf den Knien, den Kopf vorgestreckt, den Hintern hoch in der Luft, und vertrieb sich mit der Hand das Gelüste, das er mit mir hatte befriedigen wollen. - Aretino

Entjungferung (3) In den ersten, kurzen Augenblicken der körperlichen Berührung fühlte sie sich unwillkürlich zwischen Weigerung und Hingabe, Scham und aufkeimender Wollust hin und her gerissen. Aber noch bevor sie sich über ihre Gefühle klarwerden konnte, hatte sie bereits der Sinnentaumel gepackt, und nur noch der Gedanke an das bereits begonnene ›Wolken-Regen-Spiel‹ füllte ihr Herz aus. Ihre Gedanken gebärdeten sich, aller Fesseln ledig, wie herumgaloppierende Pferde, und ihr Herz glich an Ruhelosigkeit dem Affen. Ihr kirschroter Sandelholz-Mund öffnete sich ein wenig, so daß ihre Elfenbein-Zähnchen sichtbar wurden, während ihre weidenschlanken Hüften von der übermächtigen Erregung des Blumenherzens gepackt hin und her zuckten, wie wenn nach einem schier endlos-langen Jahr der Trennung der Hirtenknabe und das Webermädchen droben am Himmel für eine einzige Nacht zusammenkommen. Leicht und zart hatte sie ihre schlanken, jadegleichen ›Bambussprossen-Finger‹ um die Hüften des Unsterblichen gelegt, während ihre winzig-kleinen Goldlotosse emporgereckt auf ihren Duftschultern ruhten. Ein derart unbeschreiblich-wohliges Gefühl erfüllte sie und ließ ihren Leib in Wonneschauern erbeben, wie wenn der Regen nach langer Trockenheit die ausgedörrte Erde näßt, und sie fühlte sich so wunschlos glücklich, wie ein Fisch, der sich im kühlen Wasser tummelt. Was könnte auf Erden wohl schöner sein, als ein solches Erleben?  - Dschu-Lin Yä-schi. Ein historisch-erotischer Roman aus der Ming-Zeit, mit erstaunlichen taoistischen Liebespraktiken. Hg. und Übs. F.K. Engler. Zürich 1971

Entjungferung (4)  Sie besuchen prominenten Dichter und zeigen ihm Ihre Gedichte. Nach Entjungferung sagen Sie: »Der letzte, bei dem ich mit meinen Gedichten war, hat alles ganz anders gemacht als Sie.« Der Dichter, der auf dem Bettrand sitzt und die Sockenhalter festschnallt, sagt: »Er schreibt ja auch anders als ich.«

Sie sagen: »Ah, Sie schreiben auch?« - Hyacinthe Phypps & Edward Gorey, Das jüngst entjungferte Mädchen. Das rechte Wort am unrechten Ort. Zürich 1971 (detebe 101, zuerst 1966)

Entjungferung (4) 

Entjungferung (5) 

Entjungferung (6) 

Entjungferung (7)  Im Lauf des Vormittags zog er sich einen weißen Anzug an und betrachtete sich eine Weile im Badezimmerspiegel. Hallo, Sie da, mit Ihrem Doktor von der Yale University. Seine Jungfräulichkeit zu verlieren, hatte ihn einigen Aufwand gekostet. Ronald der Jungfräuliche war ihm ein Dorn im Auge gewesen, denn er offenbarte eine Wissenslücke und entsprach nicht seinem Ideal von adretter, unnahbarer Selbstbeherrschung. Aber die einzige Frau, die er sehr gut kannte, war seine Schwester, und die hatte ihn glatt abgewiesen. Dann hatte er es bei einer älteren Sekretärin im Immatrikulationsbüro versucht. Nix da. Er sei zu unromantisch, sagte sie, er mache seinem Namen alle Ehre. Er beklage sich über seine Unerfahrenheit wie über einen Pickel, den sie ihm doch bitte ausdrücken möchte. Geh doch zu einer Profi-Nutte, mein Junge. Da hatte er sich in New Haven in den Zug gesetzt und war bis nach Washington gefahren, hatte die Kleinanzeigen studiert und eine auf sein Hotelzimmer bestellt. Als Jüngling hingefahren, als Mann zurückgekehrt et cetera. Ja, wie er da auf dem Rückweg zum Campus mit den Füßen auftrat, so daß die ganze Beinmuskulatur hinauf bis in die Hüften vibrierte. Sex. Doch was dran. Wirklich nicht schlecht. Von nun an wußte er, was er sich entgehen ließ, und machte sich nicht mehr so viel daraus. - Irene Dische, Fromme Lügen. Frankfurt am Main 1989

Entjungferung (8)  Ich erinnere mich meiner Unschuld, und daß es ein Kind meines Alters und meines Geschlechts war, das sie vertrieben hat. Ich war vielleicht zehn Jahre alt. Mein ganzes Sinnen- und Gefühlsleben seither war nichts als die Wiederholung dieses Mordes, meines fassungslosen Staunens und dieses wilden Schmerzes, als risse man mir etwas heraus, das in mir an den Haaren, an den Nägeln der Hände und Füße festsaß. Zuerst welche bebende Neugier! dann welche Angst! und plötzlich welches Entsetzen! die Lust? Und nie seither bin je wieder derselbe gewesen. Was ich auch tat, ob ich sprach, lachte, lächelte, weinte, die Welt betrachtete, einen Fuß vor den andern setzte, nichts geschah mehr einfältig, rein wie ehemals. Allem, was ich empfand, war ein Unbekanntes beigemischt, das es in der Quelle trübte. - Marcel Jouhandeau, Herr Godeau heiratet. In: M. J., Elise. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1933 ff.)
 
 

Initiation Mal, erstes Jungfrauschaft

 

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