Entenkrankheit   «Würden Sie wohl so gut sein, entschuldigen Sie die Störung, mein kleines Hündchen zu halten?»

Von oben und von hinten gesehen sah Murphy ziemlich gefällig aus, wie eine Art Fremder, von dem sich ihr kleines Hündchen wohl ohne weiteres festhalten ließe. Er richtete sich auf und saß nun zu Füßen einer kleinen, korpulenten  Frau mittleren Alters, die eine wirklich schlimme Entenkrankheit hatte.

Die Entenkrankheit ist ein peinlicher pathologischer Zustand. Die Symptome dieser in Steiss' Nosonomie trefflich als Panpygoptosis beschriebenen Krankheit sind: fehlende Oberschenkel, an deren Stelle sich an den Kniekehlen schon beginnende Hinterbacken befinden. Zum Glück tritt diese Krankheit selten auf, die, wie der volkstümliche Name sagt, auf das schwache Geschlecht beschränkt ist, eine Tatsache, die der berühmte Dr. Busby und andere weniger pedantische Honoratioren als eine Laune der Natur bitter beklagen. Sie ist nicht ansteckend (obgleich gewisse Beobachter das Gegenteil behauptet haben), nicht infektiös, nicht vererbbar, schmerzlos und unheilbar. Ihre Ätiologie bleibt allen verborgen außer den psychopathologischen Fanatikern, die gezeigt haben, daß es sich einfach um eine andere Verkörperung des neurotischen Non me rebus sed mihi res handelt.

Die Ente, um ihr vorläufig einen Namen zu geben, hielt in einer Hand eine große, pralle Tasche und in der anderen eine Leine als Fortsetzung ihrer Persönlichkeit zu einem so kurzbeinigen und langen Dackel, daß Murphy nicht sagen konnte, ob es sich um einen Hund oder eine Hündin handelte, was er stets zuerst wissen wollte, wenn ihm ein sogenannter Hund vor die Augen kam. Er hatte zwar die klassischen Hündinnenaugen, küß mich auf die Hornhaut, unterhalte mich in der Iris und hilf dir Gott in der Pupille. Aber es gab auch Hunde, die sie hatten.

Murphys Vorderseite hielt nicht, was seine Rückseite versprach, aber die Ente war zu weit gegangen, um einen Rückzieher machen zu können.

«Nelly ist läufig», sagte sie ohne jede Spur von Ziererei mit einer zugleich stolzen und traurigen Stimme und hielt inne, damit Murphy ihr seiner Überzeugung entsprechend gratulieren oder kondolieren könnte. Da er weder das eine noch das andere tat, nahm sie kein Blatt mehr vor den Mund.

«Der Spiritismus ist mein Broterwerb, ich habe den ganzen Weg von Paddington zu Fuß zurückgelegt, um die armen, lieben Schäfchen zu füttern, und nun wage ich nicht, sie laufen zu lassen, hier ist meine Karte, Rosie Dew, alleinstehendes Fräulein, unterm Protektorat von Lord Gall of Wormwood, Sie kennen ihn vielleicht, ein reizender Mann, er schickt mir Objekte, er ist in einer peinlichen Lage, Erbe eines Fideikommisses ohne Hoffnung auf Kinder, sucht nach testamentarischen Hinweisen aus dem Jenseits, wie sie sich reckt, um auf und davon zu laufen, der Vollstrecker ist ein Mann aus Eisen und will nicht daran rütteln, um das Fieber ihres Blutes im Fluß oder See zu kühlen, wie Shelleys erste Frau, Harriet glaube ich, nicht Nelly, Shelley, Nelly, o Nelly, ich BETE dich an.»

Sie zog an der Leine, hob Nelly schnell an die Einöde ihres Busens und bedeckte ihre Schnauze mit all den Küssen, die Nelly sie während langer Abende gelehrt hatte. Dann übergab sie Murphy das zitternde Tier, nahm zwei Salatköpfe aus der Tasche und begann, sich verstohlen den Schafen zu nähern.   - (mur)

 

Krankheit Ente

 

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