ntbindung   Die Menschenseele kann durch das kunstmäsige Bestreichen oder Magnetisiren in unendlich verschiedenen Graden von dem Nervensystem entbunden, und nach Verhältnis dieser Grade freywürkend gemacht werden.; gewisse Krankheiten, auch verschiedene Arzneyen, oder vielmehr giftartige Gewächse können die nämliche Würkung hervorbringen.

Bey geringeren Graden der Entbindung bleibt das Selbstbewustseyn; aber die Imagination wird lebhafter, so daß der Mensch glaubt, er sehe und höre würklich, was er sich doch blos einbildet.

Der natürliche Schlaf ist auch eine Art dieser Entbindung; wenn die organische Maschine des Körpers, oder eigentlich die Nerven bis auf einen gewissen Grad ermatten, so entläst die Menschenseele diese Werkzeuge, insofern sie zu den fünf Sinnen gehören; denn durch diese allein entsteht unser Bewustseyn in der Sinnenwelt — für sich aber würkt sie beständig fort, geschieht dies so lebhaft, daß es Eindruck auf die Innern sinnlichen Werkzeuge macht, so erinnert man sich dessen bey dem Erwachen und nennt es träumen.

Bey den gewöhnlichen Nachtwanderern ist die Entbindung um einige Grade vollständiger, und dem magnetisehen Somnambulismus ähnlich; hier wirkt die Menschenseele noch freyer, sie träumt zusammenhängender und deutlicher, und in einem so hohen Grad, daß das Nervensystem, folglich auch der Körper in Bewegung gesezt wird, ob gleich die Sinnen alle ruhen; und da der Mensch in diesem Fall nicht durch die Sinnenwelt, sondern durch die Ideen-Verbindung der Seele geleitet wird, so entstehen daher Handlungen die nicht in die Ordnung der Dinge passen; aber eben diese Handlungen sind wie jedermann weiß, in sich, weit vollkommener, als im wachenden Zustand, woraus dann wiedrum erhellet, daß die Menschenseele, wenn sie von den Banden des Leibes befreyt wird, weit freyer, vollkommener und vielthätiger würken könne, dann schläft und schlummert, dann ermüdet sie in Ewigkeit nicht mehr.  - (still)

Entbindung (2)   Diese Woche hat Maria eine Frau in folgendem Interieur entbunden. Ganz oben am Boulevard Magenta in einem Barackenlager, das dem schwärzesten Elend von Paris wer vermietet? Der Baron James de Rothschild, - in einer Stube in diesen Lagerbaracken, wo die Bretterwände Spalten und der Fußboden Löcher aufweisen, aus denen alle Augenblick Ratten schlüpfen; sie dringen auch ein, so oft man die Türe öffnet, diese dreisten Ratten der armen Leute; sie klettern auf den Tisch, stehlen ganze Brotlaibe, beißen die Schlafenden in die Füße und zerren am Zipfel des Bettlakens.

Da drinnen sechs Kinder. Die vier größten zusammen in einem Bett und zu ihren Füßen, die sie nicht ausstrecken können, in einer Kiste die beiden Kleinsten. Der Mann, ein ehemals vermögender Gemüsehändler, ist während der Wehen seiner Frau stockbetrunken. Die Frau, ebenso betrunken wie ihr Mann, auf einem Strohsack; eine Freundin, die da ist, eine alte Kantinenwirtin, die den Durst von fünfundzwanzig Jahren Feldzügen hat und die ihre kleine Pension versäuft, hat sie betrunken gemacht. Und während der Niederkunft in dieser Hütte, der schändlichen Hütte der Zivilisationen, äfft der Affe eines Drehorgelspielers parodierend die Schreie und Flüche der sich im Kindbett krümmenden Megäre nach und pißt durch eine Spalte im Dach dem schnarchenden Mann auf den Rücken.  - (gon)

 

Befreiung

 

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