manzipation  Meine Freundin Yvonne Leclerc ist sehr klein, blond, etwas mager, aber schön. Sie ist eine große Pianistin, die die Konzerte und den öffentlichen Ruhm verschmäht und ihre getreue, tiefgehende, von billigen Effekten freie Interpretation der Meister einem Zirkel von Künstlern vorbehält, die sie bewundern. Sie bewohnt ein schönes, lichtdurchflutetes Appartement am Boulevard Berthier, kleidet sich gemäß den Ansprüchen eines höheren Geschmacks und schützt ihre Hände durch Handschuhe, weil sie selbst ihren Haushalt macht (mit Dienstmädchen verliert sie ihre Geduld: «Meine Teure, ich muß gestehen, daß Sie nicht wissen etc. ...») Sie erzieht ihren Sohn wie einen ihr Ebenbürtigen, behandelt ihn mit 10 Jahren wie einen Mann, verlangt, daß er zu telefonieren und sich auf Reisen um das Gepäck zu kümmern versteht: «Mit 16 wird er allein nach England fahren.» Ihr Gatte, Professor an der Sorbonne, führt sein Leben und sie das ihre: «Es steht dir frei, mich zu betrügen, wenn es dich nicht anwidert, diese Frauen zu besitzen; ich beanspruche legitimerweise das gleiche für mich, weise dich aber darauf hin, daß ich keinen Gebrauch davon machen werde: all diese Individuen sind mir zu abstoßend.»  - (jac)

Emanzipation (2) Das Gaunertum ist aus dem Bettlertum entstanden. Das alte Heidentum kannte das eigentliche Bettlertum nicht, weil es die Sklaverei hatte, und somit in der sozialen Abschichtung des Heidentums es nur Herren oder Sklaven gab, für welche letztere die erstem sorgten. Erst infolge der Sklavenemanzipation ist überhaupt die Mittellosigkeit entstanden, und in dem Verhältnis, wie jene sich mehrte, vergrößerte sich auch diese. Das Christentum, das die heidnische Sklaverei verwarf, vermehrte das Bettlertum, je bestimmter es der Sklaverei entgegentrat und aus versorgten Sklaven freie besitzlose Menschen machte. - (ave)

Emanzipation (3) Dale hatte im ganzen Leben noch nie unabhängig gehandelt. Immer hatte ein Mann ihr gesagt, was sie tun sollte, solange sie sich erinnern konnte - erst ihr Vater und ihr Onkel Bob, der bei der Familie gewohnt und sie verführt hatte, als sie elf gewesen war, und alle ihre Brüder und auch die Männer, mit denen sie hier und da zusammengelebt hatte, seit sie nicht mehr zu Hause war. Also umklammerte sie das Lenkrad fest mit beiden Händen und blickte starr auf die Leuchtziffern der Uhr am Armaturenbrett. Sie zuckte zusammen und biß sich auf die Lippe, als die Schrotflinte wieder losging, aber sie wartete, bis die drei Minuten um waren, ehe sie ihren versteckten Parkplatz verließ. Als sie durch das Fenster in den Laden blickte, sah sie gerade noch, wie Troy absichtlich James erschoß. Da wußte sie, daß Troy wahrscheinlich auch sie ermorden würde, daß Troy nicht vorhatte, sie nach Haiti mitzunehmen, und daß es in Haiti auch keinen plastischen Chirurgen gab, der ihr Gesicht wieder herrichten würde. Die .25 er Halbautomatik mit dem Perlmuttgriff lag auf ihrem Schoß. Als Troy den Müllsack auf den Rücksitz warf und ihr befahl, hinüberzurutschen, damit er fahren könne (das war gegen den ursprünglichen Plan; sie sollte fahren), da wußte sie verdammt genau, daß er sie umbringen würde, und sie geriet in Panik. Mit einer flinken Bewegung griff sie nach der kleinen Pistole, schoß und trat das Gaspedal bis zum Bodenblech. Die Automatikschaltung stand bereits auf Fahrbetrieb, und der schwere Wagen schoß mit kreischenden Reifen voran, während Troy auf den Asphalt kippte. Dale hörte ihn schreien. - Charles Willeford, Seitenhieb. Reinbek bei Hamburg 1996
 
 

Befreiung

 

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