Laß meine schweifenden Hände dich erkunden, |
- John Donne, aus der Elegie XIX, nach (
wesch
)
Elegie an eine blaue Schmeißfliege
Ja, in meinem Stumpfsinn habe ich dich umgebracht. Dein Summen belastigte mich, als ich gerade ein schönes, ein holdes Liebessonett schrieb. Und was mir fehlte, war eine Endung auf -ucker, die auf Zucker reimen sollte. Mais, qui dira les torts de la rime? Dann fühlte ich mich bedrückt, und ich sah dich näher an: du warst sehr schon. Große schräge Augen bekrönen deine Stirn wie der Turban eines orientalischen Herrschers. Mächtige Augen, schöne dunkle Augen, die der Lanze des Begehrens Einlaß gaben, der Brunst, dem Liebesspiel des Weibchens, ihrem heiß verzehrenden Nahesein unter dem Licht der Welt. So groß sind deine Augen, daß deine Seele vielleicht einem ungeheuren Brand glich, einem farbigen Lichtsturz, einem Leuchtfeuer. Wie zur Mittagszeit die hohe Glasveranda, durchsichtig und frei überm Meer, in dem Haus, wo ich Kind war. Als ich dich tötete, sähest du hinaus in meinen Garten. Da ist heller Dezember, der die Farben und das Licht mir entgegenwälzt wie Marmorblöcke, mit roher Wucht, als ginge der Kristall der Luft in Scherben und prickelte grätenspitz in meiner Seele. Dies, was du aus meinem Fenster sahst: es ist die Welt. So drängt sie sich immer auf: Lichter und Formen, Baum, Strauch, Blume. Kuppe, Himmel, bewölkt oder wolkenlos, und, bald rot bald grau, die Dächer des Menschen. Nichts sonst: immer ist es dasselbe. Ein Fruchten ist sie, ein Überfluß, ein inniges Treiben ist sie verborgener Säfte, die Liebe aufgehen läßt und die Gott verteilt in Knoten und Büschel; ein süßes Gären, nichts sonst. O ja, es freut mich, daß dieses Letzte, was du gesehn hast, das farbige Bild, das lautlos in deinem Nichts verdampfen wird, diese Landschaft war, diese Rosen, diese schon entblößten Maulbeerbäume, dieses schüchterne Mandelbaumchen, das jetzt noch seine zartlebendigen Blätter dem Winter hinstreckt, dieser grüne Hügel, der in mählicher Krümmung mein Fenster schneidet, und diese Stadt im Hintergrund: sie werden dunkel zugegen sein auch in meinem Nichts, auch in meiner Nacht, o armes Wesen, wir gleichen uns, du und ich. An deinem edlen Haupt, das jetzt mit einem weißlichen Faden kaum noch am Körper haftet, ist der gewaltige Rüssel auf immer gestreckt geblieben. Welchen Seim oder welchen Nektar hast wollüstig du geschlürft, welches lockende Aroma versetzte dir jenen dumpfen Ruck, der bewirkt, daß der Wandernde fort und fort (der Dämmerungskälte zum Trotz und gar dem Schlummer) jenem süßen Lockruf folgt, jener Not zukünftig zu sein, die wir Leben nennen, in jenem gleichen Augenblick, als mit einmal die Welt dir unterging wie ein großer Ozeandampfer, der Lust und Lichter an Bord, mit dem Eis zusammenstößt und erlischt im Schatten, im Nichts. Sahst du vielleicht als Letztes meine drei Spätrosen? Ein roher Tatzenhieb, eine rote Schreckensflamme, Glut, die zu violettem Blitzlicht gerann. Und kalt. Kalt! Ein Frost wie zu Wintersanfang, wenn die Hagelwolke mit jähem Schattenfittich die Luft uns zu Blei macht. Schon sahst du nicht mehr. Und es sträubten die linden Lüfte nicht mehr die Wärzchen an deinem Unterleib (schnittig wie eine Gondel, wie eine Mandoline vom reinsten Blau), und das innerste Herz hörte auf zu schlagen. Du fielst auf die Seite. Zwei-, dreimal durchbebte die Luft beharrlich ein Gliederzucken, als wollte der Herzschlag der Welt in ein Zeichen eingehn: seine letzte Botschaft. Und du warst ein Ding: ein Toter. Nur noch organischer Stoff, der im dunklen Strom zum Mineralreich heimkehren wird. oh Gott! oh geheimnisvoller Gott! Um abermals, zum unendlichsten Mal dein riesiges Rad zu betreten. Du warst in meinem Haus, sahst meinen Garten. Du warst sehr schön. Ich tötete dich. Oh, könnte ich jetzt dir das Leben zum ändern Mal geben, ich, der ich den Tod dir gab. |
- Damaso Alonso, nach
(arc)
|
||
|
||