lefantenweib   Das Miststück hob den Arm, und schon sah ich den.Peitschenriemen auf mein Gesicht zusausen. Zum Glück sind meine Reflexe in Ordnung. Ich sprang hoch, so als hätte man mir eine Nadel in den Hintern gestochen. Der Riemen schlang sich pfeifend um meine Brust. Aber die gefütterte Winterjacke fing die Wucht auf. Trotzdem wurde ich nicht grade gestreichelt. Ich taumelte, mein Magen zog sich zusammen. Ich reagierte blitzschnell. Mit beiden Händen zog ich an dem Riemen und entriß der alten Hexe den Griff der Peitsche. Bei dieser Aktion verloren wir beide das Gleichgewicht. Ich fiel auf den Rücken, das Schwergewicht wälzte sich mit seinen hundert verfaulten Kilo auf mich. Großer Gott! Meine Begabung! Jedesmal sollte ich was Unerhörtes abkriegen, im allgemeinen einen Tiefschlag, heimlich, still und leise. So stand es im Großen Buch geschrieben. In diesem Fall hatte das Schicksal für mich den Erstickungstod vorgesehen, zwischen diesen Riesenbrüsten. Kein Entkommen. Ich fühlte mich wie Kapitän Morhange, das Opfer der hinterhältigen Antinea in dem Film von Jacques Feyder (noch eine Jugenderinnerung!). Mit ihren Brüsten erschlug sie einen Mann - wie mit einem Sandsack. Und mit mir ging es auch gleich zu Ende. Es mußte ja so kommen! Aber ich war nicht Kapitän Morhange. Und wenn ich schon sein Schicksal erleiden mußte, dann doch, bitte schön, durch die richtige Antinea. Oder durch Brigitte Bardot. Eine Frage des Stils. Jedenfalls nicht durch dieses Elefantenweib, das mich plattwalzte. Ich strampelte mich ab wie ein Gehenkter. Umsonst! Zu allem Unglück lag ich auf dem Peitschengriff, der sich mir in den Rücken bohrte. Einen Augenblick lang dachte ich, ich war gerettet. Ich konnte kurz Luft holen, aber nur, weil die alte Hexe zum Schlag ausholte. Sie fing an, meinen Kopf zu bearbeiten. Dabei erfand sie alle möglichen Namen für mich und meine Eltern, immerhin besonnene, ehrenwerte Bürger. So mager war der Wortschatz des Scheusals gar nicht. Manchmal sogar überwältigend. Die ganze Zeit blies sie mir ihren Atem in die Nase. Keine Ahnung, woher sie die Duftnote hatte. Es stank wie auf dem Land, beim Düngen. - Léo Malet, Die Brücke im Nebel. Reinbek bei Hamburg 1992
 
 

Weib

 

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