So sah er auch stets verächtlich auf die Menge herab, die sich durch die Waggontüren auf den Bahnsteig drängte oder umgekehrt, mit ironischer Grimasse beobachtete er atemlose Damen und Herren, die Hals über Kopf, unter Geschrei, Fluchen und manchmal auch Püffen in die Abteile rannten, um »Plätze zu belegen« und ihren Genossen aus der Schafsherde zuvorzukommen.
Zweimal nur im Laufe seiner langjährigen Karriere war er auf ›würdige‹ Passagiere
gestoßen, die seinem Ideal des Reisenden ungefähr entsprachen. Eines dieser
seltenen Exemplare, ein namenloser Landstreicher, war ohne jeden Pfennig in
ein Abteil erster Klasse gestiegen. Als Boron die Fahrkarte verlangte, erklärte
ihm der Zerlumpte, er brauche kein Billett, denn er fahre ohne bestimmtes Ziel,
nur so, aus Annehmlichkeit, aus angeborenem Hang zur Bewegung.
Der Schaffner gab ihm nicht nur recht, sondern wachte auch die ganze Zeit hindurch
sorgfältig über die Bequemlichkeit des Fahrgastes und ließ niemanden in sein
Abteil. Er bewirtete ihn sogar mit der Hälfte seines Proviants und rauchte mit
ihm ein Pfeifchen bei einer freundschaftlichen Plauderei über das Thema Reise
ins Blaue. - Stefan Grabinski, Das Abstellgleis. Frankfurt am Main
1971 (Insel, Bibliothek des Hauses Usher, zuerst 1953)
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