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(nett)
Eins (2) Das Universum ist Eins, unendlich und unbeweglich. Eins, sage ich, ist die absolute Möglichkeit [possibilità], Eins die Wirklichkeit [atto]. Eins die Form oder die Seele, Eins die Materie oder der Körper. Eins die Ur-Sache, Eins das Wesen, Eins das Größte und Beste, das - um nicht erkannt werden zu können - Unbegrenzbare und Unbeschränkbare und insofern Unbegrenzte und Unbeschränkte und folglich Unbewegliche. Dies bewegt sich nicht räumlich, weil es nichts außer sich hat, wohin es sich begeben könnte, da es ja selbst alles ist. Es entsteht nicht, weil es kein anderes Sein gibt, das es begehren oder ersehnen könnte, denn es hat schon selbst alles Sein. Es ist unvergänglich, weil es nichts anderes gibt, in das es sich verwandeln könnte, denn es ist schon selbst alles. Es kann weder zunehmen noch abnehmen, insofern es nämlich unendlich ist und ihm daher ebensowenig etwas hinzugefügt wie etwas hinweggenommen werden kann; denn das Unendliche hat keine in bestimmtem Verhältnis zueinander stehenden Teile. Es unterliegt keinem Wechsel der Beschaffenheit, denn es gibt nichts ihm Äußerliches, dessen Einwirkung es zu erleiden hätte und von dem es irgendwie affiziert werden könnte. Da es überdies alle Gegensätze in seinem Sein zu Einheit und Harmonie verbindet und keine Neigung zu einem anderen und neuen Sein fassen kann oder zu einer anderen und neuen Seinsweise, so kann es auch weder einer Veränderung hinsichtlich irgendeiner Eigenschaft unterliegen, noch Gegensätzliches oder Verschiedenes haben, von dem es verändert würde; denn in ihm befindet sich alles miteinander im Einklang. Es ist nicht Materie, da es weder gestaltet noch gestaltbar ist, weder begrenzt ist noch begrenzbar. Es ist nicht Form, da es nichts anderes formt und gestaltet; denn es ist alles, ist das Größte, das Eine, das Universum. Es ist weder meßbar noch Maß. Es umfaßt sich nicht, da es nicht größer als es selbst ist; es wird nicht von sich umfaßt, denn es ist nicht kleiner als es selbst. Es läßt sich nicht vergleichen, denn es ist nicht eins und ein anderes, sondern ein und dasselbe.
Indem es ein und dasselbe ist, hat es nicht ein Sein
und noch ein Sein, und weil es nicht ein Sein und noch ein Sein hat, hat
es nicht Teile und wieder Teile, und weil es nicht Teile und wieder Teile
hat, ist es nicht zusammengesetzt. Es ist Grenze auf solche Weise, daß
es keine Grenze ist; es ist solchermaßen Form, daß es keine Form ist; es
ist dergestalt Materie, daß es keine Materie ist, es ist derart Seele,
daß es keine Seele ist; denn es ist alles ohne Unterschied, und deshalb
ist es Eines: das Universum ist Eines. In ihm ist fürwahr die Höhe nicht
größer als die Länge und Tiefe; daher wird es einer gewissen Ähnlichkeit
wegen als Kugel bezeichnet, ohne jedoch eine Kugel
zu sein. - Giordano Bruno, Über die Ursache, das Prinzip und
das Eine. Stuttgart 1986 (Reclam 5113, zuerst 1584)
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