inrasten Das geschwächte Gehirn scheute vor der Berührung mit der Außenwelt zurück, wie ein junges, zum erstenmal wundgeriebenes Pferd vor dem Sporn. Es war genug, vollauf genug, daß der Raub aus dem Kilta aus seinen Händen, aus seinem Besitz fort war. Er versuchte, an den Lama zu denken - wie er wohl in den Bach geraten war - aber die Größe der Welt, wie er sie durch das Hoftor sah, verdrängte alle zusammenhängenden Gedanken. Dann blickte er auf die Bäume, die weiten Felder, die strohgedeckten Hütten, zwischen den Ähren geborgen - blickte mit fremden Augen, die unfähig waren, Gestalt und Umfang und Zweck der Dinge zu begreifen - starrte wohl eine halbe Stunde lang. Dabei war ihm - obschon er es nicht in Worte fassen konnte - als wäre seine Seele außer Verbindung mit seiner Umgebung - ein Zahnrad außer Verbindung mit jeglicher Maschinerie, ja, genau wie das müßige Zahnrad einer der billigen Zuckermühlen, irgendwo in einem Winkel. Die Lüfte fächelten über ihn, die Papageien schrien nach ihm, der Lärm des bevölkerten Hauses hinter ihm - Geschwätz, Befehle, Schelten - schlug an taube Ohren.
»Ich bin Kim. Ich bin Kim. Und was ist Kim?« Seine Seele wiederholte es wieder und wieder.
Er wollte nicht weinen - hatte sich nie in seinem Leben weniger zum Weinen
aufgelegt gefühlt - aber plötzlich tropften dumme Tränen an seiner Nase herunter
- und mit einem fast hörbaren Knack fühlte er
das Räderwerk seines Wesens sich aufs neue
gegen die Welt draußen erschließen. Gegenstände, die einen Augenblick zuvor
ohne Sinn vor dem Auge gestanden hatten, glitten in ihre richtigen Beziehungen.
Straßen waren zum Gehen da, Häuser zum Wohnen, Rinder zum Weiden, Felder zum
Pflügen, Männer und Frauen, um mit ihnen zu reden. Alles war wahr
und wirklich - fest auf die Füße gestellt - vollkommen
verständlich - Stoff von seinem Stoff - nicht mehr, nicht weniger. Er schüttelte
sich wie ein Hund, dem eine Fliege im Ohr sitzt, und schlenderte aus dem Tor.
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Rudyard Kipling, Kim. Nach
(ki)
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