indringen  Träumt man, mit einer gut bekannten und befreundeten Frau zu verkehren, in die man verliebt ist und die man begehrt, so hat das Traumerlebnis infolge der entfachten Leidenschaft keine Bedeutung. Hat der Träumende aber kein Verlangen nach der Frau, beschert es ihm etwas Gutes, falls die Betreffende vermögend ist; denn in jedem Fall wird der Mann von der Frau, die er im Traum erblickte, unmittelbar oder mittelbar einen Nutzen haben. Ganz natürlich ist eine, die sich selbst anbietet, auch mit ihrer Habe freigebig. Häufig bringt dieses Traumgesicht dem Träumenden, weil er in die Geheimnisse der Frau eingedrungen ist, Vorteil; denn solch eine Frauensperson gibt die Möglichkeit, auch das Geheimste zu berühren.  - (art)

Eindringen (2)   Ich habe meinen Auszug vorgelesen ohne den Titel anzugeben, stieg auf das Podium, vor mir ein Mikrophon, dahinter Gesichter. - Einmal wollte jemand sich laut privat verabschieden oder begrüßen, und ich hörte auf zu lesen, worauf es ganz still wurde, und der Typ schlaff eine Entschuldigung murmelte. - Ich las weiter, eine Variation nach der anderen, in kurzen Sätzen. - Nach einer halben Stunde hörte ich auf, ging ohne ein Wort vom Podium und setzte mich auf einen Stuhl - zuerst Schweigen, zaghaftes Klatschen, das schnell erstarb: sie hatten gar nicht mitgekriegt, was da passierte und was in sie eindrang (und ich bin fest davon überzeugt, daß es auf eine solche lautlose Art in sie eingedrungen ist, daß manche der Formulierungen ihnen später aufstoßen werden, lautlos und verwirrend, und das ist schon etwas - außerdem eine Verblüffung, kein Zettel zur Hand, kein Begriff, das gerade gesehene Verhalten und das Gehörte einzuordnen, so wirkte es viel besser hinsichtlich des Inhalts als die folgende Schau - ich hatte mich so doch noch nie verhalten, und es war gut, ich war zufrieden, ohne Beziehung, ohne Gleichmacherei, ohne Verständnis, alle die Werte stimmten für Momente gar nicht mehr, was will ich mehr?)  - (rom)

Eindringen (3)  Unmerklich dringt die Wüste in das Land eines Mannes ein. Kein Fellache, aber ihm gehört ein Stück Land. Es gehörte ihm. Als Junge hatte er die Mauer ausgebessert, verputzt, hatte Steine, die so schwer waren wie er selbst, herbeigetragen, hochgehoben, zurechtgerückt. Aber die Wüste dringt vor. Hat ihn die Mauer verraten, hat sie die Wüste hereingelassen? Ist der Junge von einem Dschinn besessen, der seine Hände das Falsche tun läßt? Ist der Ansturm der Wüste zu mächtig für jeden Jungen, für jede Mauer, zu mächtig für jeden toten Vater, für jede tote Mutter?

Nein. Die Wüste dringt ein. Es ist so, nichts weiter. Kein Dschinn, der den Jungen verhext hat, kein Verrat der Mauer, keine Feindschaft der Wüste. Nichts.

Bald: nichts. Bald: nur noch die Wüste. Die beiden Ziegen erstik-ken am Sand, wenn sie mit ihren Nasen den Sand umwühlen und nur noch weiß gewordenen Klee finden. Nie wieder wird er ihre herbe Milch schmecken. Die Melonen sterben unter dem Sand. Nie wieder werdet ihr im Sommer Linderung bringen, kühle Abdelawi, geformt wie die Trompete des Engels. Der Mais stirbt, und es gibt kein Brot mehr. Die Frau und die Kinder werden krank und übellaunig. Und eines Nachts läuft der Mann, er, hinaus, wo die Mauer war, wirft mit Steinbrocken, die gar nicht da sind, verflucht Allah, bittet dann den Propheten um Verzeihung, pinkelt schließlich auf die Wüste, hofft, etwas beleidigen zu können, was sich nicht beleidigen läßt.

Sie finden ihn am Morgen eine Meile weg von seinem Haus, blau angelaufen, fröstelnd, in einen Schlaf gefallen, der fast Tod ist; seine Tränen liegen als Reif auf dem Sand.

Und nun beginnt sich das Haus mit Wüste zu füllen, wie die untere Hälfte einer Sanduhr, die niemals mehr umgedreht werden soll.   - (v)

Gewalt Öffnung
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Penetration
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