igenliebe  Man kann sich auch fragen, ob man sich selbst am meisten lieben solle oder einen anderen. Man tadelt jene, die sich selbst am meisten schätzen, und nennt sie im verächtlichen Sinne eigenliebend; es scheint auch der Schlechte alles um seiner selbst willen zu tun, und je schlechter er ist, desto mehr; man wirft ihm ja vor, daß er nichts tue, was nicht in seinem Interesse sei. Der Tugendhafte aber handelt wegen des Edlen, und dies um so mehr, je besser er ist, und ferner um des Freundes willen, während er das Seinige vernachlässigt.

Wer sich besonders um die schönen Handlungen bemüht, wird von allen anerkannt und gelobt; und wenn alle um das Edle wetteiferten und sich anstrengten, das Schönste zu tun, so wäre für die Gemeinschaft alles erreicht, was notwendig ist, und der Einzelne hätte für sich die größten Güter, wenn nämlich die Tugend eben das größte Gut ist.

Also soll der Tugendhafte eigenliebend sein (denn er wird selbst den Nutzen davon haben, wenn er Edles tut, und wird damit auch den anderen nützen), der Schlechte aber darf es nicht sein (denn er wird sich selbst und seinen Nächsten schaden, da er schlechten Leidenschaften folgt). Beim Schlechten widerspricht das, was er tut, dem, was er tun sollte. Der Tugendhafte dagegen tut, was er tun soll. Jeder Geist nun wünscht für sich selbst das Beste, und der Tugendhafte gehorcht dem Geiste. - (eth)

Eigenliebe (2)  Ein Missionar, welcher durch Indien reiste, traf einen Fakir, kettenbeschwert und wie ein Affe nackt auf dem Bauch liegend, um sich auspeitschen zu lassen für die Sünden seiner indischen Landsleute, die ihm ein paar indische Heller gaben.

»Welche Verleugnung seiner selbst!« sprach ein Zuschauer. »Verleugnung meiner selbst?« erwiderte der Fakir, »wißt, daß ich mir im Diesseits den Hintern versohlen lasse, um es euch im Jenseits heimzuzahlen, wo ihr Pferde sein werdet und ich Reiter«.

Wenn manche Leute gesagt haben, die Liebe zu uns selber sei der Grund zu allen unseren Empfindungen und Handlungen, so haben sie in Indien, in Spanien und auf der ganzen bewohnbaren Erde nachweislich recht bekommen. Und wie niemand schreibt, um den Menschen zu beweisen, sie hätten ein Gesicht, so tut es nicht not, ihnen zu beweisen, daß sie Eigenliebe haben. Diese Eigenliebe ist das Werkzeug zu unserer Erhaltung; sie scheint dem Werkzeug zu unserer Fortpflanzung gleich: auch dies ist uns nötig, ist uns teuer, schafft uns Vergnügen und muß versteckt sein. - Voltaire, Philosophisches Wörterbuch, nach (vol)

Liebe Egoismus
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