iertanz

 - F. W. Bernstein

Eiertanz (2)  Künstlich abgemessen schritt sie  den Teppich hin und her und legte in gewissem Maße die Eier voneinander, dann rief sie einen Menschen herein, der bei der Truppe war und die Violine spielte. Er trat mit seinem Instrumente in die Ecke, sie verband sich die Augen, gab das Zeichen und fing zugleich mit der Musik wie ein aufgezognes Uhrwerk an, indem sie Takt und Melodie mit dem Schlage der Kasta-gnette begleitete. Behende, leicht, rasch, präzis führte sie den Tanz. Sie trat so scharf und so sicher zwischen die Eier hinein, bei den Eiern nieder, daß man in dem Augenblicke dachte, sie müsse eines zertreten oder bei schnellen Wendungen fortschleudern. Mitnichten! Sie berührte keines, ob sie gleich mit allen Arten von Schritten, engen und weiten, ja sogar mit Sprüngen und zuletzt halb kniend sich durch die Reihen durchwand.

Unaufhaltsam wie ein Uhrwerk lief sie ihren Weg. Und die sonderbare Musik gab dem immer wieder von vorne anfangenden und losrauschenden Tanze bei jeder Wiederholung einen neuen Stoß. Wilhelm war von dem sonderbaren Schauspiele ganz hingerissen, vergaß seiner Sorgen, er folgte jeder Bewegung der geliebten Kreatur und war verwundert, wie in diesem Tanze sich ihr Charakter vorzüglich entwickelte. Streng, scharf, trocken, heftig und in sanften Stellungen mehr feierlich als angenehm. Er empfand, was er alles für Mignon gefühlt, in diesem Augenblicke auf einmal. Er sehnte sich, dieses verlassene Wesen an Kindes Statt seinem Herzen einzuverleiben, es in seine Arme zu nehmen und mit der Liebe eines Vaters Freude des Lebens in ihm zu erwecken.

Der Tanz ging zu Ende, sie rollte die Eier sachte mit den Füßen zusammen auf ein Häufchen, ließ keines zurück, beschädigte keines und stellte sich dazu, indem sie die Binde von den Augen nahm und ihr Kunststück mit einem Bücklinge endigte.  - Goethe, Wilhelm Meisters theatralische Sendung

 

Ei Tanzen Vorsicht

 

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