hrendolch   Fräulein Scharf [aus Berlin] ließ Eugen  wissen, daß sie gerne mit jungen Offizieren und anderen bewaffneten Figuren tanze. »Ich spiele gern mit Ehrendolchen«, sagte sie und machte das Herausziehen und Wieder-in-die-Scheide-Stecken einer solchen Waffe nach. Worauf Eugen, den Kopf schüttelnd, bemerkte: »Mit was für Leuten Sie sich amüsieren...« Er wunderte sich, weil er wußte, daß Fräulein Scharf mindestens zu einem Viertel jüdisch war, oder dieses eine Viertel zugab, weil dieses eine Viertel ungefährlich und von den Machthabern gerade noch gestattet worden war, während es bei halbjüdischen Damen schon bedenklicher gewesen wäre. Und Eugen dachte, ein Viertel jüdischen Bluts halte also Fräulein Scharf nicht davon ab, an der Bar mit Ehrendolchen zu spielen [dir graust es schon als sogenannter reiner Arier davor], weshalb er es sich nicht verkneifen konnte, darauf hinzuweisen, daß ihr »Ich spiele gern mit Ehrendolchen« als Anfang eines Gedichtes im ›Simplizissimus‹ verwertbar sei. Und er malte ihr das Bild aus, das ein Simplizissimus-Künstler dazu entwerfen würde, also einer, der die Sex-Appeal-Masche heraushabe, das Milieu der Barbesucher kenne und, impressionistisch-schmissig, eine mit verrutschter Bluse und entblößtem Knie an der Theke sitzend darstelle, wie sie rechtshändig einen Drink kippe, linkshändig aber nach dem Ehrendolch ihres Begleiters greife, der in SA-Uniform nordisch strammgebügelt bei ihr sitze; und wie sie da den Ehrendolch am Knauf umschmeichle: »Also von Ihnen kann ich's mir vorstellen, sapperlot und kruzitürken, kreizdeifel noch einmal!« - Hermann Lenz, Andere Tage. Frankfurt am Main 1978 (st 461, zuerst 1968)
 

Dolch Ehre

 

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