Ehephobie    Die alte fatale Versuchung begann wieder seinem Gemüt zuzusetzen. Sie überfiel ihn als vage und nebelhafte Stimmung mit einer Art tödlicher, diffuser Lieblichkeit von unbeschreiblich zersetzender Wirkung. Das schlimmste bei diesem Anfall aber war, daß dadurch aus dem Vorhaben, mit Cordelia Geard die Ehe zu schließen, eine Aussicht von solch abtötender Dumpfheit wurde, daß er bei dem Gedanken daran aufstöhnen mußte. Und doch empfand er echte Liebe für Cordelia. Allerdings ohne jegliches fleischliches Begehren. Dieses war unvorstellbar. Jedoch mit einem Mitleidsgefühl, das die Grundfesten seines Wesens erschütterte. Er hatte noch nie für jemand so viel Mitleid empfunden wie jetzt für Cordelia. Sein Mitleid mit ihr war mit seiner Bewunderung für ihre geistigen und spirituellen Fähigkeiten schrittweise gewachsen. Woher dann aber dieses unerträgliche Gefühl der Dumpfheit - ach, viel schlimmer als Dumpfheit! - dieses Gefühl, daß sein innerster Lebenskeim in den tiefsten Fasern an saftloser Sterilität eingehen würde, wenn er immer, Tag für Tag, Nacht für Nacht, an ihrer Seite leben müßte! Wie hatte er nur dieses zersetzende Gift mit seiner todbringenden Schwammfäule m jeden Lebensnerv einsickern lassen können? Im Ringen gegen diese nebelhafte Versuchung begann er nun mit der gräßlichen Vorstellung zu spielen, daß er, abgesehen von einem gewissen Einschlag von Sadismus, vor jedem körperlichen Kontakt mit Cordelia nur zurückweichen konnte, da er sonst vor grenzenlosem Ekel in sich zusammenschrumpfen würde. Zuerst, als er feststellte, wie lieb ihm Cordelia allmählich wurde, hatte er gedacht, daß er hier - in genau diesem einen Punkt - den normalen verliebten Leuten etwas voraus hatte. Da bei ihm das natürliche Verlangen nach dem Reiz weiblicher Schönheit an sich gleich null war, müßte er doch sicher sein Mitleid - dieses Mitleid, das der magnetische Pol seiner Liebe war - ohne Angst vor Zurückweisung bis zum Äußersten auskosten dürfen? Wenn, diesen sadistischen Kitzel, diesen Nachtschattensaft ausgenommen, alles Fleisch im wörtlichen Sinne Gras war, warum konnte er nicht »Heu machen« in solchen menschlichen Gefilden, vor denen jeder normale Mensch zurückwich, weil ihm vor Widerwillen speiübel wurde? Doch nun packte ihn schrecklicher Zweifel: angenommen, er hätte jeden Tropfen magnetischer Anziehung durch natürliche fleischliche Reize schon ausgedorrt, würde dann die tägliche Anwesenheit einer anderen Person sein Leben nicht mit dem Staub allergrößter Langeweile in einem solchen Ausmaß überziehen, daß alles, was er empfand, alles, was er sah, alles, was er schmeckte, alles, was er hörte, vor Fäule, Moder und Dürre dahinwelken würde?   - (cowp)

Ehephobie  (2) 

Ehe Phobie


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