urchblick  Alles, was ich gesagt habe, ist offenkundig, alltäglich und wohlbekannt. Wie aber wäre es Demokrit angekommen, sähe er in die geheimen Winkel ihres Herzens? Wenn jeder ein Fenster in seiner Brust hätte, wie Momus es von Vulkans Geschöpf begehrte, oder wenn es jedem nach der Wunschvorstellung Ciceros auf der Stirn geschrieben stünde, was er über die Republik dächte? Bei Lukian berührt Merkur die Augen Charons und setzt ihn so von einer Sekunde auf die andere instand, die blinden Hoffnungen und Wünsche, Gedanken und Taten, Gerüchte und flüchtigen Sorgen der Menschen wahrzunehmen. Was wäre, wenn jemand wie Lukians Gallus mit seiner Schwanzfeder Türen und Schlösser öffnen und Riegel zurückfliegen lassen könnte, wie sich Cyprian wünschte, oder wenn er den unsichtbar machenden Ring des Gyges besäße oder ein seltenes Glas, das den Gesichtskreis so vergrößerte, daß er alles auf einmal sehen und hören könnte - ähnlich der Lanze, die Jupiter bei Martianus Capella in der Hand hält und die ihm alles zeigte, was täglich auf der Erde vor sich ging? So würden die aufgesetzten Hörner sichtbar, die Machenschaften der Alchimisten mit ihrem falschen Stein der Weisen, die wirre Pläneschmiederei und alle die das Tageslicht scheuenden Werke, die falschen Schwüre, Hoffnungen, Befürchtungen und Wünsche, die Demokrit wahre Lachkrämpfe verursacht hätten. Er sähe Windmühlen in einem Kopf und ein Hornissennest im anderen. Und wäre er mit Lukians Ikaromenippus in Jupiters Flüstergalerie anwesend gewesen, hätte er zu seiner großen Verwirrung den einen um Regen, den anderen um Sonnenschein flehen, diesen den Tod seiner Frau, jenen den seines Vaters erbitten hören. Empfangen wollen sie aus Gottes Hand, was ihnen die Schamröte ins Gesicht triebe, würde ihr Anliegen publik. Wer wollte also leugnen, daß diese Menschen nicht ganz richtig im Kopf sind? Könnte sie die Nieswurz heilen? Mitnichten, ein ganzer Morgen davon würde nicht ausreichen. - (bur)

Durchblick ⁽²⁾