ünnhäutigkeit
Er erinnerte sich an einen früheren Kollegen, an Herrn Zeißberg, der
bei den Zeugen Jehovas gewesen war und ebenfalls versucht hatte, mit der Zur-Schau-Stellung
von Dünnhäutigkeit in Ruhe gelassen zu werden. Aber diese Rechnung ging leider
nicht auf. Zeißbergs Zurückhaltung wurde von den Kollegen als Verachtung und
Überheblichkeit aufgenommen, und sie gingen dazu über, ihn ihrerseits zu demütigen
und verächtlich zu machen. Ein Lehrling war es gewesen, der eines Tages nicht
mehr Herr Zeißberg, sondern Herr Schneißberg zu ihm sagte, und weil Zeißberg
zu dieser Verunglimpfung tatsächlich nur überheblich grinste, nahmen bald auch
andere Angestellte daran teil, seinen Namen zu verunstalten. So hieß er einmal
Fleißberg, dann Reisberg, ein andermal Schleißberg. Und einmal, als er eines
seiner religiösen Unterweisungsheftchen auf der Toilette liegengelassen hatte,
brachte es ihm ein Lehrling an den Schreibtisch zurück und sagte: Herr Scheißberg,
das haben Sie auf dem Klo verloren. Zeißbergs Gesicht zitterte ein wenig, weil
diese Demütigung auch ihm zu weit ging, und eine halbe Stunde lang sah es so
aus, als würde sich Zeißberg zum erstenmal bei Ajax beschweren. Es war klar,
daß der Lehrling fristlos gekündigt worden wäre. Aber Zeißberg tat nichts: Er
suchte sich eine andere Stellung. An seinem letzten Arbeitstag verließ er schweigend
das Büro, ohne sich auch nur von einem Kollegen zu verabschieden. Das waren
Zeißbergs stärkste Augenblicke gewesen. - (
absch
)
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