Rrogenrazzia    - Der Film ist zuende, ruft das Ehepaar aus dem Ruhrgebiet. Wolli spult ihnen die »Liebesschule« auf.

- Soll ich die Heizung verstärken?

- Nein, es ist gut so, antwortet das Ehepaar, das sich ausgezogen hat.

Der Bauch des Mannes faltet sich zu drei weißen Mercedesreifen, unten ein ganz steifes, krummes, rotes Ventil. Die Titten der Frau, blanke Riesenbrüste mit blauen, von der Anstrengung des Hängens angeschwollenen Adern.

- Die Schenkel werfen Blasen vor Fett. »Simplizissimus«-Figuren - lebendig - sogar das Fett und der Harnleiter sind aufgewichste Antiquitäten aus den Zwanziger Jahren. Simplizissimus, der magere Barockjunge, muß seinen Namen herleihen für allen Afterkriegsspeck. Wolli zieht sich in der Bibliothek aus:

- Sie erwarten mich unter dem Vorführgerät. Ach, ich bin in eine abscheuliche Geschichte verstrickt, über die ich nicht reden möchte. Aber wenn ich nicht ihm, der mich für zwei Flugbillets und 500 DM, sofort die Hand am Hahn zu Klumpen schieße, auspusten soll, bin ich ein Sieb. Ich bin ein Gott. Soll ich meine und Goldhämsterleins Zukunft aufs Spiel setzen, damit ein Lohnkiller seine Prämie einstreicht? Wofür hat Christina die ganzen Jahre gearbeitet. Sieh, jedem, der dich in einer Bar belästigt, redest du lange gut zu. Aber vielleicht steht er darauf und ehe er dich ruiniert, wirfst du ihn um und wenn er liegt, darf er nicht wieder hochkommen und du mußt ihm das Maul zurechttreten, daß er sich daran erinnert und den nächsten nicht mehr bedrängt. Es klingelt. Wolli sagt zu Jäcki:

- Lies Trotzki, Bakunin, Trakl, Sade oder in der Enzyklopädie des Stierkampfs. Aber stell jedes Buch wieder an seinen Platz. Wolli empfängt die Wirtschaftskommission aus Persien mit Ständer, Maschinenpistole, toupiert, nackt und geschminkt. Die Mitglieder der Wirtschaftskommission sind für 200 DM als Voyeure erschienen. Wolli will das Geld den Kollegen zukommen lassen und telefoniert eine Wiener Anfängerin herbei und den Portier von drüben. Als es losgehen soll, geniert sich die Wirtschaftskommission vor dem Dolmetscher, Wolli geniert sich vor dem Skatbruder und spielt verlegen an der Maschinenpistole, die Wienerin hat es noch nie gemacht und der Portier sagt zu Jäcki:

- Ich genier mich so, weil ich einen etwas überdurchschnittlich langen Sack habe.

Es klingelt.

Alle atmen auf.

Wolli vergißt die Maschinenpistole.

Schüsse, Schreie, Bellen.

Das Ehepaar aus dem Ruhrgebiet vermutet, das gehört zu den Darbietungen und amüsiert sich köstlich.

Vier Polizisten, gefolgt von fünf deutschen Schäferhunden, führen Wolli herein.

Zwei Polizisten gehen in die Küche und vierteilen die Butter. Aus den Kartoffeln werden die Aktaufnahmen entfernt. Hinter der Mao-Bibel fallen die schwulen Serien hervor. Aus der Luxusausgabe von Don Quijote mit den Illustrationen von Gustave Dore" flattern Fickbilder. In dem Pappschoner der Studienausgabe der Werke Bertolt Brechts liegt ein halbes Kilo Haschisch aus Afghanistan.

Da ergreift ein auf Haschisch dressierter deutscher Schäferhund das halbe Kilo aus Afghanistan.

Die anderen auf Haschisch dressierten deutschen Schäferhunde jagen es ihm wieder ab, das halbe Kilo aus Afghanistan. Die Polizisten ziehen sich flink aus und versuchen mit »Bei Fuß!« und »CouchezI« »Ajax!« die Ordnung wieder einigermaßen herzustellen. Wolli läßt die Buschmeisterschlange aus dem Terrarium; die Mitglieder der persischen Wirtschaftskommission ziehen sich ebenfalls flink aus und springen aufs Sofa. Ein deutscher Schäferhund frißt die Buschmeisterschlange, die sich durch ihn hindurchfrißt und an seinen buschigen Hoden hervorguckt. Wolli hat die »Bestrafung in der Kiefernschonung« aufgespult und über die schwarzbraunen Tierfelle, rote, glänzende Eicheln, schorfige Enkel, gebräunte Ritzen und lose Backen gleiten die stummen, grauen, gleichmäßig bewegten Geschlechtsteile des Kurzfilms, die zum Kameramann hin fragenden Gesichter, die ins richtige Licht gerückten, farblosen Klitorissen und im unpassenden Augenblick grau in die falsche Richtung spritzenden Ruten.

Der nächste deutsche Schäferhund verschlingt die mehr und mehr austretende Buschmeisterschlange, die sich auch durch ihn hindurchfrißt und wieder aus ihm heraustritt. Die deutschen Schäferhunde bilden jetzt die Pyramide des Polizeisportfestes, während die Buschmeisterschlange einen nach dem andren auffädelt.   - Hubert Fichte, Detlevs Imitationen "Grünspan".  Frankfurt am Main 2005 (zuerst 1973)

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