oppel-Musik
Niemals hat wohl ein Kopf ein härteres Lager, als wenn man ihn auf den Händen
trägt - d.h. darauf stützt: bei mir und Karlson war vor-vorgestern nichts daran
schuld, als daß im Saale neben unsern Zimmern ein Hochzeittanz gehalten und
daß parterre die jüngste Tochter des maitre d'hotel, die nicht nur den Namen,
sondern auch die Reize der Corday hatte, mit zwei weißen Rosen auf den Wangen
und zwei roten in den Locken — eingesargt wurde und daß Menschen mit bleichem
Gesicht und schwerem Herzen blühende und beglückte bedienten. Wenn das Schicksal
zugleich das Freudenpferd und das Trauerroß an die Deichsel der Psyche anschirret:
so ziehet immer das Trauerroß vor, d.h. wenn eine lachende und eine weinende
Muse in einer Stunde auf einer Bühne nebeneinander spielen: so schlägt sich
der Mensch nicht wie Garrick auf die Seite der lachenden, er bleibt nicht einmal
mitten inne, sondern er nimmt die weinende; so malen wir überall wie Milton
das verlerne Paradies feuriger als das wiedergewonnene, die Hölle wie Dante
besser als den Himmel. - Kurz die stille Leiche machte uns beide gegen den frohen
warmen Eindruck der Tänzer kalt. Aber ists nicht recht toll, mein Viktor, daß
ein Mann wie ich nichts so gut weiß, als daß jede Stunde der Erde zugleich Morgenrot
und Abendwolken austeilt, hier einen blauen Montag, dort einen Aschermittwoch
anfängt, daß ein solcher Mann, der mithin so wenig darüber trauert, daß dieselbe
Minute Tanz- und Nachtmusik und zugleich Totenmärsche vor dem breiten Nationaltheater
der Menschheit aufspielt, gleichwohl den Kopf hängt, wenn er diese Doppel-Musik
auf einmal bei einer Winkelbühne zu Ohren bekömmt? Ist das nicht so toll wie
sein übriges Tun? — Jean
Paul, Das Kampaner Tal oder über die Unsterblichkeit der Seele (1797)
|
||
|
|
|