oktorandin
Auguste war ein gescheites Mädchen,
immer schon gewesen, schonst in der Schule. Ohne dabei Streber zu sein. Besonders
aber in der Schule des Lebens war Auguste Bolte gescheitelt. Das Leben war eine
strenge Schule. Nur gescheitelte Leute können das Leben leben. Das Leben ist
eine hohe Schule. Gewissermaßen Hochschule. Und auf dieser Hochschule wollte
Frl. Auguste Bolte ihren Doktor machen, Doktor des Lebens, gewissermaßen, Dr.
Leb. Und dieses sollte ihre Doktorarbeit werden. Das Thema schrie nach Bearbeitung,
denn es war bislang noch sehr wenig bearbeitet, ein dankbares Thema. Wie würde
Auguste nachher dastehen, wenn sie Dr. des Lebens wäre, Fräulein Dr. Auguste,
Fräulein Dr. Leb. Eine neue Fakultät. Dieses und
manches andere, z. B. das Wort Infinitiv dachte Auguste, auf deutsch «Die Erhabene»,
während sie von den andern 2 sich endgültig abtrennte, um ab nun den ändern
einen 2 nachzulaufen. Auguste schätzte jetzt ihre Geschwindigkeit auf die des
Schalles, 333 1/3 m die Sekunde. Eine weitere Steigerung schien ihr unmöglich
zu sein, sie würde sonst ankommen, bevor man ihre Fußtritte hören konnte, und
der Donner ihrer Schritte würde ihr auf dem Fuße folgen. - Kurt Schwitters, Auguste Bolte. Zürich 1966 (zuerst
1923)
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