Dienstherrin  Ich habe eine neue Stelle gefunden, seitdem ich das letzte Mal schrieb, aber ich kann Dir noch nicht sagen, was ich tun werde, denn ich sehe noch nicht klar und deutlich, welchen Weg ich einschlagen soll. Meine Gnädigste ist auf einem Auge blind, lahm, leidet unter Kribbeln in den Gelenken und ist, obwohl reichlich vermögend, höchst geizig gegenüber dem Hausmädchen und mir, von ihren Nichten und Neffen ganz zu schweigen, die jeden Freitag kommen, um sich nach ihrer Gesundheit zu erkundigen. Nichtsdestotrotz trinkt meine Gnädigste regelmäßig wie ein Uhrwerk einmal pro Woche eine Bouteille Portwein und wird unverzüglich von stürmischem Ungestüm ergriffen (obwohl sie an Wochentagen so geziert redet, wie Du es Dir nur wünschen magst), so daß ich mich auf ihr rechtes Bein setzen muß, während Susie, das Hausmädchen, sich auf ihr linkes Bein verfügt und die Köchin ihre Schultern festhält, um zu verhindern, daß sie gegen die unbezahlbaren Seestücke stürzt, die im Überfluß an der Wand hängen, oder sich die Schläfe am Bein eines Wäscheschranks oder einem italienischen Eichenmöbel einschlägt, alle mit Weinblättern und lauter runden Ornamenten verziert, so wie sie zu der Liebenswürdigkeit der Borgias und Cencis gepaßt haben. Na, soll ich nun sitzen und sie halten, oder soll ich stehen und loslassen ? Sie ihrem Mobiliar überlassen oder ihrem Wortschwall sündiger Phantasien zuhören? Denn sie legt willentlich los und lacht selbst äußerst wollüstig, und zählt alle Mißbräuche der Männer auf, wobei sie die meisten selbst erfindet, würde ich wetten, denn wenn, hat sie einen furchtbaren Unrat ausgebrütet, und in den läßt sie auch noch die hervorragendsten Namen fallen wie Roger Bacon und Alexander Pope und ähnliche, ganz zu schweigen von ihren Äußerungen bezüglich guter Frauen wie unserer Florence Nightingale und der Königin selbst, wenn es ihr beifällt - bis mir wirklich das Haar auf dem Kopf zu Berge steht. Sag mir also, was Du in diesem Falle tun würdest - das Bein halten oder nicht halten? Denn obwohl nichts ein reines Ohr beschmutzen kann (wie ich wohl weiß), bin ich keineswegs dafür, dies Instrument zu quälen und es vielleicht in einem Augenblick der Gleichgültigkeit zu überraschen, noch glaube ich, daß Susie, das Hausmädchen, besser dafür geeignet ist, denn sie ist gar wild und jung an Tagen, und was muß das arme Mädchen nach einer Stunde oder mehr solchen Gefasels im Kopf haben! Kein Wunder, daß an solchen Tagen (freitags) ihre Betten nicht ordentlich gemacht sind.    - (ryder)
 
 

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