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lor
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Dicknäsigkeit (2) Ein antiker Physiognomiker
hat mit aristotelischer Syllogistik festgehalten »Die
Ochsen sind langsam und träg, sie haben dicke Nasen und große Augen, also sind
Menschen mit dicken Nasen und großen Augen träg und langsam«. In der Hinsicht
übte Johann Kaspar Lavater Zurückhaltung, als er 1803 zur »Förderung der Menschenkenntnis
und der Menschenliebe« seine ›Physiognomischen Fragmente‹ veröffentlichte: er
vergleiche das menschliche Antlitz mit dem tierischen nicht in der Absicht,
»Ähnlichkeiten von Tier- und Menschenzügen« aufzudecken.
Beinahe hätte sich seine ›physiognomische Charakterkunde‹ fatal für die Kenntnis
der Tiere und die Entstehung ihrer Arten ausgewirkt. Der Kapitän der ›Beagle‹,
ein glühender Anhänger Lavaters, mochte anfänglich einen Charles Darwin nicht
für die Forschungsreise mit aufs Schiff nehmen; die Nasenform des jungen Wissenschaftlers
ließ auf Mattigkeit und Interessenlosigkeit schließen. - (
loe2
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Dicknäsigkeit (3) Er mußte an dreißig
sein und trug einen Vollbart. Ich hatte ihn beim Kommen nicht näher angesehen,
so sehr war ich über die armselige Hütte bestürzt gewesen, die er mir überlassen
und die mich vielleicht jahrelang beherbergen sollte... Aber als ich ihn dann
aufmerksamer ansah, fand ich, daß er wie ein Abenteurer
aussah; er hatte ein scharfkantiges Gesicht, es war einer jener Empörerköpfe,
die zu tief in das Dasein eindringen und nicht darüber wegrollen wollen; meist
haben solche Köpfe eine große dicke runde Nase und volle Wangen wie ein Kahn,
gegen den die Wogen des Schicksals klatschend branden. Er war bestimmt ein unglücklicher
Mensch. - (
reise
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Dicknäsigkeit (4) Ein
Mann, dem ich ausweichen mußte, kam um die Ecke, ein korpulenter Herr mit rosigem
Gesicht, gerötet von der Winterkälte, der leis schnaufte,
als triebe er üppigen Gestaden der Nacht entgegen, ein Herr mit Pelzkragen und
großer Nase. Senta schaute ihm nach und sagte leis:
»Wenn ich mich nicht irre, so war es Doktor Zotz.« Sie schaute auf den Boden:
»Doktor Benno Zotz, Minister für Wirtschaftspropaganda.« -
Hermann Lenz, Spiegelhütte. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1962)
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