Diascevast   »Sind Sie Pedro Dinis Quaderna, der Direktor der Stadtbücherei Raúl Machado?«

»Der bin ich«, stammelte ich nach besten Kräften.

Und ich fügte alsbald hinzu, um als einflußreiche Persönlichkeit und Ehrenmann Eindruck zu schinden:

»Außerdem bin ich Redakteur der >Gazette von Taperoá<, eines konservativen Nachrichtenblattes, dessen Literatur-, Rätsel-, Scharaden- und Astrologie-Seite ich redigiere. Ich kann also sagen, daß ich neben meiner Tätigkeit als Dichter-Schreiber und Bibliothekar Journalist, Astrologe, offizieller Literat mit eigenem Büro, Berater in Liebesangelegenheiten, Rhapsode und Diascevast Brasiliens bin.«

»Rhapsode?« verwunderte sich der Richter und setzte eine halb verärgerte, halb erstaunte Miene auf. »Diascevast? Was soll das heißen? Was ist ein Diascevast?«

Ich sah, daß ich meinen ersten Sieg über den Richter errungen hatte; denn ein Ankläger, der seine Unwissenheit in einer Materie eingestehen muß, in der sich der Angeklagte auskennt, verliert immer ein wenig von seiner Überlegenheit. Samuel und Clemens von Herzen dankbar, die mir, ohne es zu wollen, diesen hochbedeutsamen Begriff meiner politisch-literarischen Bildung geliefert hatten, erläuterte ich:

»Die Diascevasten, Herr Richter, waren die Gelehrten, welche laut Professor Clemens, einem meiner literarischen Lehrmeister, die Gesänge der griechischen Rhapsoden sammelten und durch ihre Zusammenstellung die >Ilias< und die >Odyssee< schufen, die Nationalwerke, Sertão-Burgen und Paraiba-Marksteine eines Volkes von Pferde- und Bocksdieben und Kuhhirten, nämlich der Griechen. Ich, ein Dichter, Romanzenautor und Romanromanzenschreiber, darf mich als Rhapsoden und Sänger betrachten, als >Barden mit dem Lederhut<, wie der geniale Carlos Dias Fernandes zu sagen pflegte. Das sichert mir den - von mir im übrigen schon ganz offiziell getragenen - Titel eines >Sertão-Rhapsoden<. Aber da ich in meinem Werk gleichzeitig auch die Gesänge aller Dichter und Romanzenmacher der brasilianischen Literatur sammle, gehörig in Wahnsinn getaucht durch Feuer und Blut der Sertão-Felsen, kann ich mich auch den >Diascevasten Brasiliens< nennen. Ich bin also nicht nur der einzige Schriftsteller der Welt, der gleichzeitig Rhapsode und Diascevast ist, sondern auch der einzige Mensch, der ganz allein >in seinem Werk eine ganze Literatur vereint<; so formuliert das eines meiner Lieblingsbücher, der >Lusobrasilianische Literatur- und Scharaden-Almanach<, im Blick auf die Genien der fremden Völker.«  - (stein)

 

Gelehrte

 

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