ialog ADENAUER:
Man darf nicht lügen, aber man muss den Leuten
nicht immer alles sagen, muss ihnen nicht immer die volle Wahrheit
sagen. So habe ich es gehalten ... (Er berichtet, dass er demnächst nach
Spanien fahren will, um dort eine "europäische Rede" zu halten.
Das Gespräch kommt auf den Prado. Augstein nennt ihm die Prunkstücke des Museums,
unter anderem die "Übergabe von Breda" von Velásquez.)
AUGSTEIN: Das
Bild ist berühmt, auch wegen der historischen Szenerie. Der spanische Feldherr,
der Breda einnahm, galt seinerzeit als das Vorbild eines ritterlichen Siegers.
ADENAUER:
Aber der Alba soll doch fürchterlich gehaust haben ... Heute sind die Zeiten
noch schrecklicher. Die Deutschen sind ja ein komisches
Volk. Da hat doch bei Ihnen im SPIEGEL gestanden, wie in Berlin
die Mauer gebaut worden ist. Der Herr Brandt
hat mir das alles bestätigt, was Sie da geschrieben haben. Und wenn Sie sich
nun vorstellen, diesem Kennedy, was haben die Deutschen dem auch noch
zugejubelt! (Gesicht in Lachfalten.) Ich kenne doch nun wirklich Frankreich
sehr gut.
AUGSTEIN: Frankreich ist über den Berg. Ihm wird es
nie wirklich schlecht gehen. Bei England hat man
Zweifel.
ADENAUER: Wissen Sie, was mit England ist? Seit es das
Flugzeug gibt, geht es mit England bergab. Mir hat einmal ein Inder
gesagt, ein sehr kluger Mann, die Engländer haben Indien
wie eine Kolonie behandelt, haben das Land ausgebeutet, und wenn sie nach England
zurückgekommen sind, dann hatten sie verlernt, wie man. ehrlich sein Geld verdient.
AUGSTEIN:
Man weiß nicht recht, ob sie den Anschluss an moderne Fertigungsmetho-den rechtzeitig
finden. Wenn in einer englischen Druckerei ein Mann
am Arbeitstisch krank wird, der eine Platte von einer Seite auf die andere tragen
muss, dann können zehn Leute herumstehen, keiner wird die Platte anfassen. Alle
warten, bis der Ersatzmann von irgendwo herbeigeholt worden ist.
ADENAUER:
Da habe ich hier ein ähnliches Beispiel. Sehen Sie,
ich hab da hinten eine kleine Toilette, und da hat
ein Vögelchen was Menschliches an die Scheibe gemacht. Ich habe gedacht, wollen
mal sehen, was nun passiert. Es passierte aber nichts. Da hab ich das Fräulein
Poppinga gefragt, warum die Putzfrau das nicht wegmacht. Das ist keine Sache
für die Putzfrau, hat sie gesagt, sondern für den Fensterputzer, und der kommt
alle 14 Tage. Die Putzfrau macht so was nicht weg. Da hab ich es selbst weggemacht.
(Er spricht dann von seiner Absicht, demnächst auch noch nach Portugal zu fahren,
Augstein erwähnt eine beabsichtigte Mexiko-Reise.)
ADENAUER: Dann
jrüßen Sie mir man die Inkas. - Der Spiegel 17 / 1967, nach: Der Spiegel
46 / 2002
Dialog (2) «Ich werde dich in meinem Auto
mitnehmen.»
«Oh, du hast ein Auto?»
«Nein. Ich habe ein Auto und einen
Chauffeur gehabt, aber ich konnte mir nicht beide leisten — so schob ich das
Auto wieder ab.»
«Was nützt dir aber ein Chauffeur ohne Auto?»
«Ich brauche
ihn, damit er mich zur Arbeit fährt.»
«Wie kann er dich ohne Auto zur Arbeit
fahren?»
«Alles okay — ich habe keine Arbeit.» -
Chico
und Groucho
(
Marx
), Duck Soup, nach (
ill
)
Dialog (3) Es war das eine Zeit, da
der Luftraum, »der Äther«, nur so schwirrte, sirrte und dröhnte von Dialogen.
Auch das Wort »Dialog« krachte immerzu aus sämtlichen Kanälen. Nach den neuesten
Untersuchungen der Dialogforschung, einer frischetablierten und sich sofort
eines massenhaften Zulaufs rühmenden wissenschaftlichen Disziplin, kam »Dialog«,
und nicht allein in den Medien, den interkonfessionellen Synoden und den philosophischen
Synthesen, inzwischen häufiger vor als »ich bin«, »heute«, »Leben« (bzw. »Tod«),
»Auge« (bzw. »Ohr«), »Berg« (bzw. »Tal«), »Brot« (bzw. »Wein«). Sogar bei den
Hofgängen der Zuchthäusler wurde »Dialog« öfter gezählt als z. B. »Scheißdreck«,
»ficken« oder »die Fotze deiner Mutter«; und ebenso fiel »Dialog« bei den überwachten
Stadt- und Waldgängen der Irrenhäusler bzw. Idioten nachgewiesen mindestens
zehnmal häufiger als z. B. »Mann im Mond«, »Apfel« (bzw. »Birne«), »Gott« (bzw.
»Satan«), »Angst« (bzw. »Tabletten«). Im ständigen Dialog begriffen selbst die
paar noch übrigen, voneinander jeweils eine Tagesreise entfernten Bauern, oder
sie wurden zumindest noch und noch im Dialog begriffen gezeigt.
- Peter Handke, Der Bildverlust. Frankfurt am Main 2002
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