Fünftens kann es eine Wortanspielung sein. Dazu kommen noch zwei andere Wege, die Freud nicht ausdrücklich aufführt, aber verwendet.
Sechstens nämlich gibt es Träume, die ganz klar einen versagten Wunsch darstellen und in denen die Methode, in den einzelnen Traumelementen den Trauminhalt festzustellen, aus ihnen die Deutung zu gewinnen, glatt versagt. Freud setzt einer Patientin an einem Tag auseinander, daß der Traum eine Wunscherfüllung sei; am nächsten Tag bringt sie ihm einen Traum, daß sie mit ihrer Schwiegermutter zum Landaufenthalt fahre, während sie sich in Wirklichkeit mit Erfolg gegen den gemeinsamen Aufenthalt gesträubt hatte. Der Traum macht diese erwünschte Lösung rückgängig und ist so der schärfste Gegensatz zu Freuds Lehre von der Wunscherfüllung. Wie erklärt sich das? Freud zieht einfach die Konsequenz aus dem Traum: Die Patientin will nicht, daß Freuds Traumlehre recht haben soll; also träumt sie einen Traum, der das Gegenteil einer Wunscherfüllung ist, also ist ihr Wunsch erfüllt, daß Freud unrecht habe. Sechstens also kann ein Traum, der einen Wunsch versagt (in Erweiterung der Gegensatzrelation), insgesamt, nicht nach seinen einzelnen Traumelementen, als Erfüllung eines anderen Wunsches gedeutet werden.
Und siebentens endlich kann (in Ablehnung an die Wortanspielung)
auch das völlige Versagen des Traumerlebnisses und der Traumnacherzählung
noch gedeutet werden. »Glossen über den Traum, anscheinend harmlose
Bemerkungen zu demselben, dienen oft dazu, ein Stück des Geträumten
in der raffiniertesten Weise zu verhüllen, während sie es doch
eigentlich verraten. So z. B. wenn ein Träumer äußert: Hier ist
der Traum verwischt, und die Analyse eine infantile Reminiszenz
an das Belauschen einer Person ergibt, die sich nach der Defäkation
reinigt. Oder ein anderer Fall, der ausführliche Mitteilung verdient.
Ein junger Mann hat einen sehr deutlichen Traum, der ihn an bewußt
gebliebene Phantasien seiner Knabenjahre mahnt. Er befindet sich
abends in einem Sommerhotel, irrt sich in der Zimmernummer und
kommt in einen Raum, in dem sich eine ältere Dame und ihre zwei
Töchter entkleiden, um zu Bette zu gehen. Er setzt fort: Da sind
einige Lücken im Traum, da fehlt etwas, und am Ende war ein Mann
im Zimmer, der mich hinauswerfen wollte, mit dem ich ringen mußte.
Er bemüht sich vergebens, den Inhalt und die Absicht jener knabenhaften
Phantasie zu erinnern, auf die der Träum offenbar anspielt. Aber
man wird endlich aufmerksam, daß der gesuchte Inhalt durch die
Äußerung über die undeutliche Stelle des Traumes bereits gegeben
ist. Die ›Lücken‹ sind die Genitalöffnungen
der zu Bette gehenden Frauen; ›da fehlt etwas‹ beschreibt den
Hauptcharakter des weiblichen Genitals. Er brannte in jenen jungen
Jahren vor Wißbegierde, ein weibliches Genital zu sehen, und
war noch geneigt, an der infantilen Sexualtheorie, die dem Weibe
ein männliches Glied zuschreibt, festzuhalten.« - Carl
Christian Bry, Verkappte Religionen. Kritik des kollektiven Wahns.
Nördlingen 1988 (Greno 10/20 85, zuerst 1924)
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