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Demut (2) Der Betrug bei der Demütigung. — Du
hast deinem Nächsten mit deiner Unvernunft ein tiefes Leid zugefügt und ein
unwiederbringliches Glück zerstört — und nun gewinnst du es über deine Eitelkeit,
zu ihm zu gehen, du demütigst dich vor ihm, gibst deine Unvernunft vor ihm der
Verachtung preis und meinst, nach dieser harten, für dich äußerst beschwerlichen
Szene sei im Grunde alles wieder in Ordnung gebracht — deine freiwillige Einbuße
an Ehre gleiche die unfreiwillige Einbuße des andern an Glück aus; mit diesem
Gefühle gehst du erhoben und in deiner Tugend wiederhergestellt davon. Aber
der andere hat sein tiefes Leid wie vorher, es liegt ihm gar nichts Tröstliches
darin, daß du unvernünftig bist und es gesagt hast, er erinnert sich sogar des
peinlichen Anblicks, den du ihm gegeben hast, als du dich vor ihm selbst verachtetest,
wie einer neuen Wunde, welche er dir verdankt, — aber er denkt nicht an Rache
und begreift nicht, wie zwischen dir und ihm etwas ausgeglichen werden könnte.
Im Grunde hast du jene Szene vor dir selber aufgeführt und für dich selber:
du hattest einen Zeugen dazu eingeladen, deinetwegen wiederum und nicht seinetwegen
— betrüge dich nicht! - (
mo
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Demut (3) Nun sagt unser lieber Herr: „Caro mea, mein Fleisch ist eine wahre Speise, und mein Blut ist wahrer Trank, und wer mich ißt, der bleibt in mir und ich in ihm."
Hier ist sehr zu beachten die abgrundtiefe Demut unsres Herrn, daß er
vom Allergrößten schweigt und vom Geringsten spricht. Das Größte ist seine
hochwürdige Gottheit, und er spricht von Fleisch und Blut, obgleich die
Gottheit und seine heilige Seele vollkommen da sind, so wahr wie das Fleisch
und das Blut. Die unaussprechliche, überwesentliche Liebe erhellt wunderbar
daraus, daß er sich nicht damit begnügte, unser Bruder geworden zu sein
und unsre verächtliche, schwache, verdorbene Natur an sich genommen zu
haben, (denn darum ward er Mensch, damit der Mensch Gott würde), - das
war ihm nicht genug: er wollte auch unsere Speise werden. Darum sagt Augustin:
„Es ist kein Volk so groß, wie das Christenvolk, keines, dem sein Gott
so nahekommt wie Gott uns nahegekommen ist." Wir essen unseren Gott.
Was für eine wunderbare, unaussprechliche Liebe, daß er diese wunderbare
Weise fand! Und diese Liebe geht über alle Sinne, und sollte aller Menschen
Herz verwunden, so alles übertreffend ist seine Liebe gegen uns. -
Johannes Tauler, nach (lte)
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