ampfer
Ich schaute auf das Wasser. Zwei Farben mengten sich hier. Die
Farbe der Themse und die des Meeres. Zwei Strömungen
begegneten sich: das Gefäll der Themse und der heranbrausende
Ozean. Und unser Dampfer schnitt durch beides hindurch.
Und langsam, aber deutlich vernehmbar, begannen jene unheimlichen Schwankungen
des Dampf-Kolosses, welche uns anzeigen, daß bei aller Raschheit, bei aller
Vorwärtsbewegung, bei allem Dampf und Gischt, Pfeifen und Stöhnen,
bei allem Schaufeln und betäubenden Lärm, der Dampfer, unser Wohnhaus, ein Spiel
der Wellen ist, von einer unheimlichen Wucht hin und her gewiegt wird. Ich verfolgte
diese Pendelungen mit Grauen. Unser Schiff glitt prächtig voran, es flog wie
eine Möve, es spie das überflüssige Wasser aus, es ritt auf den entgegenkommenden
Wellen auf und ab, wie ein Kinder-Schaukelpferd, von vorn nach hinten, es war
brav und gut. Aber neben dem Allen hatte es noch eine dritte Bewegung, eine
kreisende, von Seite zu Seite, und die war unverständlich; als pendelte der
dicke Rumpf, bei allem Vorwärtsrasen, nochmals in einer Extra-Bewegung wie eine
tanzende Nuß über das Meer hin. Ich konstruierte mir diese Bewegung extra an
einem theoretischen Schiff, das ich beschleunigte, und es kam ein entsetzlich
groteskes Bild heraus; als führe ein besoffener Dampfer über dem Meer Schlittschuh.
- Oskar Panizza, Die gelbe Kröte, in: ders., Der Korsettenfritz.
Geschichten. München 1981 (zuerst ca. 1890)
Dampfer (2)