amoklesschwert Ihr
Großvater und ihr Vater waren in Konkurs geraten.
Prudence war von einer eingefleischten Angst vor dem Bankrott besessen. Jedesmal,
wenn sie an ihr weiträumiges Geburtshaus zurückdachte, fragte sie sich, mit
welchem engen Winkel sie sich wohl begnügen müsse, urn darin zu sterben, wenn
auch ihr Geschäft einmal unter den Hammer kommen sollte. Die schlimmste Knechtschaft
in ihren Augen wäre es gewesen, in Paris bei ihren Kindern leben zu müssen,
ihrer Puppen und ihrer Stadt beraubt, oder in einem Hospital, wo man nach der
Hausordnung Schlag acht Uhr ins Bett ging und erst um sieben aufstand; die höchste
Glückseligkeit war es, mit ihren aufgeputzten Puppen
allein zu bleiben, sich vor Tag zu erheben und erst nach Mitternacht sich niederzulegen,
um ein paar Stunden lang nichts anderes zu tun als, hoch über allen, auf die
Welt hinabzublicken: auf Chaminadour. Unaufhörlich bewegte Prudence diese ernste
Frage in ihrem Kopf: Wie läßt es sich einrichten, daß man von nichts lebt? Nach
und nach hatte sie ihr Leben immer mehr eingeschränkt, um seine Sicherheit dadurch
zu erhöhen, und abends in ihrem Bett vor dem Einschlafen, in der Frühe, wenn
sie aufstand, ging sie, wie einer sein Gewissen erforscht, mit sich zu Rate,
worauf sie wohl noch verzichten könnte, bis sie zuletzt nur noch überlegte,
welche Abfälle der andern sie verwenden könnte, nachdem
sie sich so sehr auf das Allernotwendigste eingeschränkt hatte, daß auch dieses
noch sich als willkürlich und überflüssig erwies. - Marcel Jouhandeau, Prudence Hautechaume oder Die Schaufensterpuppen
der Diebin. In: M. J., Chaminadour. Reinbek bei Hamburg 1964
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