amenwahl Dolores, fett und liebenswürdig, forderte Profane auf. »Non posso ballare«, sagte er. »No puedo bailar«, verbesserte sie ihn und wuchtete ihn auf seine Füße. Alles war nun beherrscht von den Geräuschen der toten Knorpelstücke, die auf tote Tierhaut schlugen, des Filzes, der auf Metall hämmerte, der Stöcke, die aneinanderklapperten. Es stimmte: er konnte nicht tanzen. Seine Schuhe störten ihn. Dolores, weit weg am anderen Ende des Raums, beachtete ihn nicht. An der Tür entstand ein Tumult, und ein halbes Dutzend Teenager in PLAYBOY-Jacken kam herein. Die Musik lärmte und rumorte weiter. Profane kickte seine Schuhe weg - alte schwarze Mokassins von Geronimo - und konzentrierte sich darauf, in Socken weiterzutanzen.
Nach einer Weile war Dolores wieder da, und fünf Sekunden später senkte sich
ein spitzer Pfennigabsatz mitten auf seinen Fuß. Er war zu müde, um auch nur
einen Ton von sich zu geben. Er humpelte zu einem Ecktisch, krabbelte unter
ihn und schlief ein. Das nächste, woran er sich erinnern konnte, war Sonnenlicht,
das ihm in die Augen schien. Wie Sargträger schleppten sie ihn die Amsterdam
Avenue hinunter und sangen ohne Pause: »Mierda. Mierda. Mierda ...« -
(
v
)
Damenwahl (2) Sie gewahrten
einen Ritter auf der anderen Seite der Ebene,
der ganz gewappnet war mit Ausnahme des Kopfes, und auf der anderen Seite kam
ein Zwerg mit großem Mund und platter
Nase geritten, der auch ganz gewappnet war mit Ausnahme des Kopfes, und
als der Zwerg heran war, sagte er: Wo ist die Dame, die
uns hier treffen sollte? Daraufkam sie aus dem Wald heraus. Und dann fingen
sie an, um die Dame zu streiten, denn jeder wollte sie haben. Was soll hierbei
herauskommen, sagte der Zwerg, dort ist ein Ritter bei dem Kreuz, legen wir
ihm die Sache dar, und wie er entscheidet, so soll es sein. Das ist mir recht,
sagte der Ritter, und so gingen sie alle drei zu Sir Gawein und erklärten ihm
die Ursache ihres Streites. Nun, ihr Herren, wollt ihr die Sache in meine Hand
legen? Ja, sagten sie beide. Mein Fräulein, sprach Sir Gawein, stellt Euch zwischen
die beiden, und mit welchem Ihr lieber geht, der soll Euch haben. Da verließ
sie den Ritter und ging zu dem Zwerg, der nahm sie und ritt singend davon. -
(
artus
)
Damenwahl (3) Neben
Eugen bewegte sich die Dame, die ihre Schuhe unter das Sofa geschleudert hatte,
eine mit klarem Gesicht. Sie war noch jung. Als er aufstand, legte sie ihm die
Hand auf die Schulter, zog ihn weg und tanzte; oder versuchte mit ihm zu tanzen.
Eugen bemühte sich, ihren Bewegungen mit den seinen zu antworten, ein Spiegelbild
ihrer Schritte, ihrer schmiegsamen Hüften sozusagen in die Luft zu legen, doch
gelang ihm dies nur ungelenk, andeutungsweise oder in Verlegenheit. Sie flüsterte
an seinem Ohr etwas vom liebenswertesten Mann des Abends. Und der sollte er
sein? Möglich war's (du willst's nicht in Abrede stellen) und es berührte ihn
warmherzig. Etwas mischt sich ins Blut, weil diese Frau sich freut. Die war
natürlich; doch trat er ihr dann auf den Fuß. Sie biß sich auf die Lippen, lächelte,
als ob es komisch wäre, daß sie jetzt Schmerz spürte. Den Schmerz hatte sie
weggewischt, es schien, als wäre ihre Sympathie für Eugen stärker. - Hermann Lenz, Herbstlicht. Frankfurt
am Main 2000
Damenwahl (4) Über dem Balkon tauchte kurz ein höchst merkwürdiges Gesicht auf. Offensichtlich eine Frau, dachte Francis und brach bei »I caught a little mouse« seinen Vortrag jäh ab. Die Person sah ihm starr mitten ins Gesicht, und er hatte das Gefühl, sie zu kennen. Die wilden grünen Augen waren unvergeßlich, auch die lange, spitze Nase, die den kleinen, jetzt zu einem sanften Lächeln geformten Mund fast verdeckte, und die Massen krauser, strohiger Haare. Aber wo er die Frau schon gesehen hatte, fiel ihm nicht ein. Sie nickte ihm schüchtern zu, und Francis ging zu ihr. Kaum hatten sie zu tanzen begonnen, als Francis nach Luft rang, so schnell wirbelten sie inmitten des Staubs umher. Aber er konnte sie nicht bitten aufzuhören, da sie so kultiviert wirkte und ein sehr einnehmendes Wesen hatte, obwohl von ihrem Körper ein starker Ziegengeruch ausging-»Was für ein reizender kleiner Junge Sie sind«, bemerkte sie und machte eine doppelte Drehung. Sie hatte eine ruhige, singende Stimme, die aber über die schräge Musik hinweg deutlich zu verstehen war. »Und wie hübsch Sie tanzen -hier, halten Sie meine linke Brust, bitte.«
Trotz eines leichten Ekelgefühls gehorchte Francis. »Sehen Sie, ich bin wirklich eine Aristokratin. Sie haben sicher schon von Marquis de Pfadade gehört.« »Nein«, sagte Francis atemlos.
»Er ist mein Vater.« Sie lächelte und machte dann einen großen Luftsprung,
wobei sie zwei muskulöse Beine entblößte. »Ich bin seine einzige Tochter, Pfoebe.«
Als sie aufgehört hatten zu tanzen, zog sie Francis in den Schatten eines Baumes
und fuhr fort, geheimnisvoll zu lächeln. In der Nähe tanzte unter einer Lampe
ein flimmernder Schwarm von Eintagsfliegen seinen einzigen frenetischen Tag
zu Ende. Francis schnaufte wie ein zuschanden gerittenes Pferd. -
(
fran
)
|
||
|
||