Unser Nixenklassiker Eisen fand Muße, beinahe die gesamte Fauna der Dämonen zu erforschen.
Besonders große Erfolge erzielte er beim Studium der Waldschrate und Gestaltwechsler.
Es wäre überaus traurig, wenn ein Nixenforscher in der Natur für nichts Augen hätte als für den Gegenstand seiner Begeisterung.
Aus persönlicher Erfahrung wage ich zu behaupten, daß eine erweiterte Aufgabenstellung ein noch größeres Interesse für unsere Arbeit wecken würde.
Ich erinnere mich, als ich eines Tages vergeblich auf eine mollige Burschikose wartete und schließlich eingenickt war, hatte ich die Aufmerksamkeit eines Prügelbolds erregt, dessen Art zu der Zeit in Estland noch nicht heimisch war.
Dieser baltische grünstirnige Prügelbold ist größer als seine Artgenossen sonst. Ich schätzte sein Gewicht auf mindestens einhundertzwanzig Kilo, und ich mußte übermenschliche Willenskraft aufbringen, um mich von ihm willenlos quetschen und knuffen zu lassen.
Aber nur so konnte ich die Gattung des Prügelbolds bestimmen, und dazu mußte ich die spärlichen (rötlichen) Barthaare auf seinem Kinn zählen und die Form seiner Zähne begutachten.
Ein Büschel Haare trug ich dann später zur Laboranalyse zu einem der besten Prügelboldexperten, und als sich herausstellte, daß in der estnischen Fauna der Dämonen eine neue Gattung entdeckt war, kannte unsere Freude keine Grenzen.
Der Prügelboldexperte blieb nicht in meiner Schuld: auf der Suche nach Prügelbolden
stieß er auf eine minilesbische Heulsuse und photographierte sie nicht nur,
sondern brachte sogar ein Gläschen Tränen von ihr mit. Wasserpanscher, Stöhnegeister,
Poltermännchen, Scheunenwichte, Badewannenolme, Pelztierchen, Piepselfen. Waldhexen,
Waldschrate, Feldmahre, Nöcke und Trolle. Vielgesichtige, Werwölfe, Gestaltwechsler,
Vampire, Blutsauger, Scheinheilige, Lockrufer, Irrlichter,
Kobolde, Wetterhexen, Flatterwische und viele, viele andere Vertreter unserer
Dämonen-Fauna harren noch der gründlichen Untersuchung, weshalb ein frischgebackener
Forscher besonderen Eifer zeigen sollte, wenn
er ihnen begegnet. - (nix
)
Dämonologie (2) Es gab Gebirgsdämonen, Erddämonen, Luftdämonen, Wasserdämonen, Tierdämonen, Sumpfdämonen, Schilfdämonen, Moosdämonen, Zwergdämonen, Dämonenriesen und die bekannten Rikschadämonen. Jeder Bewohner von Atlantis war entweder mit einem oder mehreren Dämonen bekannt, verwandt, verschwägert, verheiratet, befreundet oder selber einer.
Nun war mit der Zeit mit den Dämonen eine Veränderung vorgegangen. Früher
hatten sie ausschließlich Angst und Schrecken unter den anderen Lebensformen
verbreitet, sich vorwiegend nachts herumgetrieben, in Wäldern Wanderern aufgelauert,
in Gewitternächten in Kaminen rumort, Kinder erschreckt
und so weiter. Als dann die Dämonenbevölkerung immer mehr zunahm, wurden die
Belästigungen durch sie zur Tagesordnung. Es war normal, daß ein Dreizüngiger
Moosdämon mit einer blutigen Axt im Kopf
über die Bettkante lugte und heulte wie ein Nachtgespenst,
wenn man sich zur Ruhe legte. - (
zam
)
Man erschreckte sich nicht mehr, wenn bei einem Waldspaziergang ein Gnom hinter einem Baum hervorsprang und schreckliche Grimassen schnitt. Nicht einmal die Kinder ängstigten sich noch, wenn die Kohlendämonen unter der Kellertreppe randalierten. Man hatte sich nach und nach an sie gewöhnt: Niemand in Zamonien fürchtete sich mehr vor einem Dämon.
Die Dämonen selbst änderten ihr Verhalten, sie paßten sich den allgemeinen Gepflogenheiten an, ergriffen bürgerliche Berufe, fügten sich ins allgemeine Stadtbild. Bald war es keine Besonderheit mehr, sich von einem Dämonen die Brötchen backen oder durch die Stadt tragen zu lassen. Es gab sie in jedem Kegelklub und Gesangsverein, sie fegten den Bürgersteig und waren im Stadtparlament, selbst einige der gefeiertsten Gebba-Spieler und Lügengladiatoren waren Dämonen.
Im Widerspruch dazu waren sie allerdings immer noch sehr häßlich. Verzerrte
Grimassen, lange gelbe Zähne, sichtbares Zahnfleisch, verdrehte Augen, heraushängende
Zunge, Haare in den Ohren, bunte Lippen, Hörner auf dem Kopf, Warzen im Gesicht,
Stachelhaare — all das waren typische Merkmale, gegen die sich wenig ausrichten
ließ. Dennoch versuchten es die eitleren unter ihnen immer wieder. Sie ließen
sich die Zähne bleichen und die Lippen entfärben, versuchten, ihre Zungen im
Zaum zu halten und nicht zu toll mit den Augen zu rollen, sie verdeckten ihre
Hörner mit grotesken Hüten, trugen maßgeschneiderte Kleidung und taten auch ansonsten
alles, um nicht zu sehr aufzufallen. - (
zam
)
Dämonologie (3) Vergleicht man die Psychoanalyse
mit der Dämonologie der Kirche, so ist die Libido vom
Teufel und die Neurose von der Besessenheit
nicht sehr verschieden, nur daß die Kirche ganz anders an der Persönlichkeit
festhält. Die Existenz einer dämonischen Welt ist ausdrückliche Glaubenslehre
(Trid. sess. V can. I und sess. VI ep. i). - Hugo Ball, Der Küntler und
die Zeitkrankheit. Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1926)
Dämonologie (4) Ein kabbalistisches Zeichenbuch mit dämonologischen
Abbildungen. Teufel, die eine absichtliche Banalität
zur Schau tragen, um darüber wegzutäuschen, daß sie Teufel sind. Rundlich pausbäckige
Bauerndirnen, die in einem Eidechsenleib endigen. Ausgeburten der feurigen Sphäre,
von einer feisten Zudringlichkeit. »Den hab ich schon gesehen!« ruft Emmy aus
und zeigt auf einen schielenden Kerl mit Hängebrüsten und Schweinsfüßen. Die
Figurinen erinnern an den Buben im Kartenspiel. So sind sie auch gefärbt. Sehr
einprägsame Burschen mit grellem Augenring; die Banalität behägig und drall,
unterstrichen, um irrezuführen. -
Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit. Zürich 1992
Dämonologie (5)
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