Chorknabe  Der Vorteil einer religiösen Anstalt ist die Messe: Als Chorknabe kann man ab sieben Uhr dreißig, zwischen der Zahnpasta und dem Milchkaffee, ein randvolles Glas Weißwein oder einige Handvoll Hostie kosten, ungeweihte, so hoffte man, um der ewigen Verdammnis zu entgehen. Manchmal füllte ich, im Kitzel der Übertretung, meine Mütze damit und schüttete sie in meine Tasse Milchkaffee. Der Anblick der Matzenblättchen, die in der lauen Flüssigkeit zerschmolzen und auf den Grund des Behälters sanken, regte die Phantasie an: Schiffsversenkungen oder Überflutungen der Welt, Ersäufung Christi, der die schlechte Eingebung hatte, die Form des Brots zu wählen. Glücklicherweise gab es die Sonntagnachmittagsausflüge - in Zweierreihen -, bei denen man auf dem Land wilde Beeren und Früchte pflücken konnte, die den Geschmack der Freiheit bewahrt hatten.   - Michel Onfray, nach (lte)

Chorknabe (2)

Chorknabe (3)   Unter seinen vertrauten Hausgenossen und Freunden hatte der Bischof auch einen blutjungen Kleriker, einen von denen, die man jetzt Chorknaben zu nennen pflegt; damals trugen sie noch keine Tonsur. Dieser Knabe besaß schöne lichtblonde Haare, die ihm in üppigen Locken auf die Schultern niederfielen. Anmutig geschwungene Brauen krönten seine blauen Augen, die voll Sanftmut und eindrucksvoller Innigkeit strahlten. Zwischen rosenroten Lippen schimmerten zwei Reihen der schönsten Perlenzähne. Auf seinen Wangen sproßte pfirsichweicher Flaum. Mollig und lockend war sein Leib, seine Hände waren bezaubernd und sinnbetörend, und seine Seele schien von frommer, inbrünstiger Demut erfüllt. So war der kleine Pedro.

Er half jeweils dem hochwürdigen Bischof beim An- wie beim Auskleiden, denn in wahrhaft christlicher Demut wollte der Prälat nichts von einem Kammerdiener wissen. Pedro brachte ihm sein Frühstück, legte ihm die Meßgewänder an, ministrierte ihm bei der Messe, wenn es ihm dann und wann beliebte, Messe zu lesen. Er saß beim Mahl an seiner Seite, schnitt ihm die Bissen zurecht und schenkte ihm zu trinken ein. Wenn jedoch der Bischof arbeitete, überließ der Jüngling dem Trufaldino seinen Ehrenplatz an der Seite des Bischofs, wohnte dem Gottesdienst bei, kam dann zum Nachtmahl wieder nach Hause und ging in sein Kämmerchen schlafen, das der Bischof neben seinem eigenen Schlafgemach hatte herrichten lassen, damit er ihn immer zur Hand hatte, falls er nachts etwas brauchte, und auch um tagsüber bedient zu sein.  -  Charles Pigault-Lebrun, Trufaldino. Nach: Meistererzählungen des französischen Rokoko. Hg. Walter Widmer. München 1962

Chorknaben (4)  »Gilles führte, wohin er auch ging, eine Sängerkapelle mit sich, die aus 25 bis 30 Personen, aus Kindern, Kaplanen, jungen Klerikern und anderen bestand, diese begleitete ihn auf seinen Reisen, so daß er, besagter Kapelle wegen, zu der ihre Diener hinzukamen, mehr als fünfzig Personen und ebensoviel Pferde auf seine Kosten unterhielt. Auch gab er dieser Kapelle große Mengen von Gold-und Seidenstoffen zur Zierde, Kerzenleuchter, Weihrauchfässer, Kreuze, Schüsseln etc. von großer Prächtigkeit, die dreimal mehr kosteten, als sie wert waren, nebst mehreren Orgeln; eine davon ließ er sich von sechs Männern nachtragen. Weiterhin hatte er in dieser Kapelle einen Dechanten, Sänger, Erzdechanten, Vikare, einen Schulmeister etc., wie dies in den Kathedralen üblich ist, und einer von ihnen wurde Bischof genannt; er zahlte den einen vier Taler, den anderen dreihundert Taler, und beglich ihre Ausgaben; er kleidete sie in schwere scharlachrote Gewänder, die mit feinem Pelz besetzt waren etc.; sie hatten Hüte aus hellem Filz, mit feinem Fell gefüttert, etc., und in ihrem Dienst war nur Eitelkeit, keine Frömmigkeit oder Gesittung. Und wenn er Lust bekam, einen davon auszuwählen, gab er ihm außer seinem Lohn ein Erbe, sogar seinen Eltern, wie er das bei dem sogenannten Rossignol aus La Rochelle, Chorknabe in Poitiers, tat, dem er La Rivière in der Nähe von Machecoul, das zweihundert Livre Rente wert war, als Land gab; zudem gab er dessen Eltern mehr als zweihundert Taler.«   - Dom. H. Morice, nach: Georges Bataille, Gilles de Rais. Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1975 (zuerst 1965)

Chorknaben (5)

 

Chor Knabe

 

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