Camões  Luís Vaz de Camões wurde 1524 oder 1525 als Abkömmling eines verarmten Adelsgeschlechts geboren. Über seine Kindheit wissen wir wenig mehr als das in den ersten Versen seines als »Schicksalskanzone« bekannten Gedichtes angedeutete:

Als ich entstieg dem mütterlichen Grabe,
Von neuem kam zur Welt, nahm alsogleich das Walten
Unsel'ger Sterne mich in Fron und Zwang.

Der Jüngling konnte sich an der Universität von Coimbra eine umfassende klassisch-humanistische Bildung aneignen, die ihn später dazu befähigte, in Afrika und Asien, weitab von den Archiven und Bibliotheken Europas, Dichtungen zu schaffen, die in bezug auf die Fülle ihrer historischen und mythologischen Anspielungen nur mit Dantes »Divina Comme-dia« verglichen werden können. Es mögen erste dichterische Erfolge gewesen sein, die dem begabten jungen Fidalgo den Zugang zum königlichen Hof in Lissabon eröffneten. Das höfische Leben brachte ihn bald in die Bahnen, in denen sein tragisches Leben verlaufen sollte: Zum einen begegnete er dort Catharina de Athaide, die fortan als der aus der Ferne leuchtende Stern am Himmel seines schweren Schicksals stehen sollte. Zum anderen war er schnell der Mittelpunkt von Händeln und Intrigen, zu denen seine neiderregenden Talente, seine spitze Feder, sein heftiges Temperament und seine großzügige Art im Umgang mit dem Geld wohl zu gleichen Teilen der Anlaß waren. Wegen der Kabale mit Dona Catharina, die Palastdame der Königin war, wurde er vom Hof verbannt. Nach anderer Auffassung war der Anlaß der Emigration weniger romantisch: König Joäo III. sei über die Ähnlichkeit von Camöes' Lustspiel »König Seleucus« mit einem aktuellen Hofskandal verärgert gewesen.

Camões wandte sich nach Nordafrika, wo er im Kampf mit den Mauren sein rechtes Auge verlor. Als die Zeit der Verbannung abgelaufen war, kehrte er an den Hof in Lissabon zurück - um zu erfahren, daß man sich dort über das sichtbare Zeichen seines Kampfesmutes lustig machte. Aus dem Plan, Portugal den Rücken zu kehren, wurde bald auf unliebsame Weise Wirklichkeit: Ein tätlicher Angriff auf einen Hofbeamten brachte ihm eine einjährige Kerkerhaft ein, aus der er sich nur durch das Versprechen befreien konnte, als Soldat nach Indien zu gehen. 1553 verließ er seine Heimat und kehrte erst 17 Jahre später wieder zurück.

Das Leben in Goa, dem »Grab eines jeden ehrlichen Mannes«, wie Camões die indische Kolonie wegen der dort herrschenden Korruption und Gewinnsucht nannte, brachte die Fortsetzung der Mißgeschicke in der Hauptstadt. Zeugnis der bitteren Armut, in der Camões seine Zeit in Indien zubrachte, ist der als »Gastmahl« bekannte Gedichtzyklus, in dem jedem der Geladenen als einzige Speise ein Sonett dargereicht wird. Eine Satire auf die Mißstände in Indien brachte Camões abermals Verbannung ein. 1556 wurde er nach Macao geschickt, wo er als Gutsverwalter wirkte und in einer Felsengrotte, die noch heute gezeigt wird, die »Lusiaden«, an denen er seit seiner Verwundung in Afrika gearbeitet hatte, vollendete.

Nach zwei Jahren konnte er nach Goa zurückkehren. Auf der Fahrt ereignete sich jener denkwürdige Schiffbruch, der auch Conrad Ferdinand Meyer bewegt hat: Das Schiff versank in den Fluten des Mekong-Deltas, und Camões rettete nichts als das Leben und das Manuskript der »Lusiaden«, das er in der linken Hand über das Wasser hielt, während er die rechte zum Schwimmen benutzte.

In Goa erwartete ihn neues, gesteigertes Unglück: Von Gläubigern und Neidern in die Enge getrieben, wurde er zweimal vor Gericht gestellt und zu Kerkerhaft verurteilt. Im Gefängnis erreichte ihn die Nachricht vom zwei Jahre zuvor erfolgten Tod der immer noch aus der Ferne geliebten Catharina de Athaide. Man hat sich daran gewöhnt, das folgende Sonett mit diesem Todesfall in Verbindung zu bringen. Der mit Camões persönlich bekannte Chronist Diogo de Couto berichtet dagegen, es sei im Gedenken an den Schiffbruch am Mekong entstanden und einer chinesischen Frau gewidmet, die von Camões hingebungsvoll geliebt wurde und deren Tod in den Wellen er mit ansehen mußte. In jedem Fall ist es ein Zeugnis für die Frömmigkeit, in der Camöes' Liebe ruhte:

Du meiner Seele Edelstes, das schon sich schied
So früh von diesem Leben ungestillten Sehnens,
Dir ward zu ruhen dort in Himmelshöh'n auf ewig
Und mir zu trauern hier auf Erden immerfort.

Wenn dort, wohin du gingst, in Äthers hohem Wohnsitz,
Erinnrung noch an dieses Leben wird empfunden,
Ach, so vergiß ihrer nicht, der glühenden Liebe, die du
In meinen Augen schon so reinlich leuchtend sahst.

Und siehst du je auch nur von dem, was dir nun wert,
Ein Fünkchen glühen in dem Schmerz, der mir geblieben
Von jener Wunde, die nicht heilt, seitdem du gingst -

So fleh zu Dem, der deiner Jahre Maß verkürzte,
Daß er so früh von hier zu deinem Schaun mich hebe,
Wie er einst früh dich meinem Blick entrückte.

Durch die Gunst des Vizekönigs wurde Camöes aus dem Schuldturm befreit und konnte bald die Reise von Goa nach Sofala in Mocambique antreten, wo er der Heimat, nach der er sich sehnte, schon näher war. Der Gönner, der ihm die Fahrt nach Afrika ermöglicht hatte, verwandelte sich nun plötzlich in einen wütenden Gläubiger und suchte ihn an der Weiterreise zu hindern. Zu allem Unglück wurde ihm während dieses erzwungenen Aufenthalts auch noch das Manuskript eines von ihm »Parnaß« genannten Werks gestohlen. Treue Freunde waren es schließlich, die ihm nicht nur das Nötigste für die Bedürfnisse des Leibes schenkten, sondern auch die Fahrt nach Lissabon.

Wie aber fand der Dichter seine Heimat vor! Eine Pestepidemie hatte im Land gewütet; der Klerus ängstigte das Volk mit Prophezeiungen weiteren Unheils, und der knabenhafte König Sebastiäo hing seinen Kreuzzugsträumen nach, die ihn und das Land in den Untergang stürzen sollten. Von den Günstlingen, die ihn umgaben und die zum Teil der Gesellschaft Jesu angehörten, war keiner willens, etwas für das bedrohte Land zu tun.

Es war Camões vergönnt, 1572, den Druck seiner »Lusiaden« und ihren Erfolg beim Publikum zu erleben. Auch die Anerkennung des Königs blieb nicht aus und äußerte sich - in bescheidenstem Maße - sogar finanziell. Das Gedicht erwies sich aber nicht nur seinem Inhalt, sondern auch dem Zeitpunkt des Erscheinens nach als der Schwanengesang des Portugals der Entdecker: 1578 fiel Sebastião, der letzte königliche Sproß des Hauses von Aviz, in der Schlacht von Alcacer Kibir und riß das ganze portugiesische Heer mit in den Untergang. Vorgeschichte und Folgen dieser Katastrophe offenbarten den inneren und äußeren Verfall des Landes in vollem Umfang. Mit der Übernahme des verwaisten Thrones durch den spanischen Philipp II., der es verstanden hatte, alle anderen Bewerber aus dem Feld zu schlagen, endet dieses Kapitel der portugiesischen Geschichte. Am 10. Juni 1580, wenige Tage vor der Proklamation der spanischen Herrschaft, starb Camões, wahrscheinlich an der Pest. Von dem Barfüßermönch, der ihm in der Todesstunde beistand, sind die Worte überliefert:

»Traurigeres kann es nicht geben, als einen so großen Genius im Elend zu sehen. Ich sah ihn sterben in einem Hospital zu Lissabon. Er hatte kein Leichentuch, um sich zu bedecken, und hatte doch in Ostindien siegreich gekämpft und war 5500 Meilen weit auf See gewesen.«    - (meer)

 

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