(A-a-men! Gott die Ehre! Halleluja!) Und so weiter. Man konnte vor lauter
Geschrei und Weinen gar nicht mehr verstehen, was der Prediger sagte. Überall
in der Menge erhoben sich Leute und bahnten sich mit aller Kraft einen Weg zur
Bank der Büßer, während ihnen Tränen übers Gesicht strömten; und als alle Bußfertigen
bei den vorderen Bänken versammelt waren, sangen sie und jauchzten und warfen
sich nieder aufs Stroh, ganz außer sich und von Sinnen. - Mark Twain, Huckleberry
Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)
»So ist's recht, heul dir deinen gottverdammten Kopf ab!« brüllte Arlie. »Das wird verteufelt viel helfen!«
Kay schluchzte wieder, daß es ihr leid täte. Sie wiederholte es wieder, zerknirscht hinzufügend, daß sie sehr schlecht sei, böse alte Squaw und dringend gräßliche Bestrafung verdiene. »Du schlagen doll meine Arsch?« bat sie tränenerstickt. »Dann wieder guter, alter Ehemann?«
»Scheiße was, du blöde Squaw!«
»B-bi-hi-hitte«, bettelte Kay und fummelte an ihrem Gürtel. »Bitte Arsch hauen, machen alles wieder hokay!«
Schluchzend, den kleinen Kopf gesenkt, öffnete sie ihre Gürtelschnalle, ließ die Hose bis auf die Knöchel hinabrutschen. Mit den Händen hob sie das kurze Unterhemd, fegte die gewölbte goldbraune Gegend unter ihrem Nabel frei.
Und stand dort und weinte, als breche ihr Herz. Hilflos schluchzend, aber hoffend, daß Arlie alles »hokay machen« würde. Ein Kind im Körper einer Frau. Ein Kind, das von seiner Umgebung dazu gezwungen wurde, eine Frau zu sein.
Und schließlich legten sich Arlies Arme um sie, und mit barscher Zärtlichkeit nannte er sie seine alte Squaw und befahl ihr, mit dem Weinen aufzuhören, bevor ihre Socken naß würden.
»Wülste, daß die Leute denken, du hättet reingeschifft?« neckte er sie liebkosend. »Also gottverdammt, sie könnten denken, daß du immer noch 'n Wickelkind bist, un' ich könnte dich nich' mehr vögeln.«
Kay schniefte, kicherte schluchzend. Machte unschuldig gotteslästerliche
Bemerkungen zu den Späßen ihres Ehemannes. Arlie küßte ihren Kopf, seine Lippen
streiften den schneeweißen Scheitel zwischen ihren straff geflochtenen Zöpfen.
Er gab ihr einen Klaps auf das nackte Hinterteil. Dann kniete er nieder, zog
ihre Hose wieder hoch und schloß energisch den Gürtel. - (
thom2
)
Die leidenschaftliche Bußgesinnung predigte er jedoch nicht nur anderen, sondern unterzog sich selbst unbarmherziger Züchtigung. Stets trug er unter dem Gewand einen eisernen Bußgürtel, fastete streng, schlief wenig und speiste täglich Arme an seinem Tisch. Wollüstige Versuchungen bekämpfte er, indem er so lange in eiskaltes Wasser eintauchte, bis sein Körper völlig erstarrt war. Von Mönchen und Nonnen forderte er die regelmäßige Selbstgeißelung, wie er sie an sich selbst mit nie erlahmendem Eifer vollzog. Nach seiner Lehre galt das Absingen von 10 Psalmen mit 1000 Streichen für ein Jahr Buße und das Absingen des gesamten Psalters mit den damit verbundenen Streichen für fünf Jahre Buße.
Dabei hielt er es für unerläßlich, daß die Züchtigung
im Zustand völliger Nacktheit zu erfolgen habe. - Albert Christian Sellner, Immerwährender
Heiligenkalender. Frankfurt am Main 1993
»Entschuldige, wenn ich dir die Ohren aus einer Laune heraus abgeschnitten habe.« »Ich vergebe dir.«
»Entschuldige, wenn ich dir in einem Wutanfall die Augen mit dem Finger herausgerissen habe.« »Ich vergebe dir.«
»Hab Erbarmen mit mir, wenn ich dir die Beine habe absägen lassen, weil du mir zu groß vorgekommen warst.«
»Ich vergebe dir.«
»Entschuldige, wenn ich dich in einer Kiste habe aufwachsen lassen, weil ich wollte, daß du ein Zwerg werden solltest.«
»Ich vergebe dir.«
»Entschuldige, wenn ich dich das Feuer mit der Zunge habe auslöschen lassen.«
Die Antwort dieses Menschen, der natürlich keine Zunge mehr zum Reden hat,
besteht in einer Handbewegung. Und nach ihm verzeihen auch die anderen dem König
die von ihm begangenen Schurkereien. Niemand beklagt sich. So gelangt der König
ans Ende der Treppe und entfernt sich, indem er sich selbst ohrfeigt.
- Luigi Malerba, Tonino Guerra: Von dreien, die auszogen,
sich den Bauch zu füllen. Roman aus dem Jahre 1000. Berlin 1996
|
||
|
||