ursche, übler »Sie war ganz vernarrt in einen üblen Burschen.«
Oser wurde es heiß unter seinem Kragen. »Wer war das?«
»Oh, Sie wissen schon, wer das war. So etwas spricht sich herum. Bei mir müssen Sie nicht unschuldig tun.«
»Ich schwöre, ich weiß es nicht.«
»Männer sind schon komisch. Was macht das jetzt noch aus? Was gewesen ist, ist gewesen.«
»Bitte, tun Sie mir den Gefallen. Sagen Sie mir, wer es ist.«
»Neugierig, was?« Bella sprach leise: »Gut, ich werde es Ihnen ins Ohr flüstern. Ich möchte nicht, daß Seinwel es hört.« Sie beugte sich zu ihm, legte den Arm um seinen Hals und zog seinen Kopf zu sich. Ihre Hand war warm, ihre Lippen berührten sein Ohr. »Mendele Schmeiser.« Und sie tat etwas, was ihm noch keine Frau getan hatte: sie steckte ihre Zunge in sein Ohr.
Oser war unangenehm überrascht, sowohl von dem Namen wie von ihrem Tun. Sein
Ohr brannte und es sauste darin, Ärger überkam ihn und ein unbekanntes Gefühl
der Scham. Er kannte Mendele Schmeiser - ein Musiker und Barbier. Er hatte ein
rundes Gesicht, einen Lockenkopf und einen dünnen gezwirbelten Schnurrbart;
er hatte ein gespaltenes Kinn. Und obwohl er nie ritt, hielt er eine Peitsche
in der Hand und trug glänzend polierte Reitstiefel. Er war in der Stadt wegen
seiner gepfefferten Witze bekannt. Oser wurde übel und sein Mund füllte sich
mit Galle. Er fürchtete, sich übergeben zu müssen, aber mit großer Willensanstrengung
konnte er sich beherrschen. Sein linkes Bein zitterte, aber sein rechtes, gegen
das Bella ihres drückte, blieb steif. Seine Stirn wurde feucht. Trotz seiner
Zweifel an Gott murmelte er ein Gebet: »Vater im Himmel, laß mich nicht entehrt
sein.« -
Isaac Bashevis Singer, Unterwegs. In: I.B.S., Der
Kabbalist
vom East Broadway.
München 1978 (zuerst 1972)
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